Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine ambulante Fettabsaugung bei Lipödemen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
Orientierungssatz
1. Eine gesetzlich Krankenversicherte kann die Durchführung einer ambulanten Liposuktion bei Lipödemen (Fettabsaugung) nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB 5 nicht beanspruchen, da diese Behandlungsmethode nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Dementsprechend besteht auch kein Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Krankenkasse nach § 13 SGB 5, wenn die Operation zunächst auf eigene Kosten durchgeführt worden ist.
2. Die neue Behandlungsmethode der Fettabsaugung ist nicht in die vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die auf Grund der Ermächtigung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB 5 erlassenen Richtlinien aufgenommen und kann damit auch nicht nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB 5 beansprucht werden.
3. Schließlich liegt auch keiner der von den Gerichten zugelassenen Ausnahmefälle vor.
4. Verfassungsrechtlich kommen Erleichterungen bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Behandlungsmethode bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich vorlaufenden Krankheiten in Betracht. Daran fehlt es bei Lipödemen.
5. Ein Systemversagen im Sinne der der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 07. November 2006, B 1 KR 24/06 R), liegt nicht vor, denn der gemeinsame Bundesausschuss hat es nicht rechtswidrig unterlassen, für die Fettabsaugung in den Richtlinien eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen abzugeben. Dafür bestehen vielmehr sachliche Gründe. Die Fettreduktion kann nämlich auch mit konservativer Therapie erreicht werden.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. August 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme und Kostenerstattung für vier Behandlungen der Liposuktion.
Die 1985 geborene Klägerin, die Mitglied der Beklagten ist, beantragte am 26. August 2009 unter Vorlage eines ärztlichen Attests des Dr. QQ. vom 20. Juli 2009 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Liposuktion wegen eines Lipödem-Syndroms der Beine. Die Kosten würden sich pro Behandlung auf ca. 2.604,00 € belaufen. Erforderlich seien vier Behandlungen.
Mit Bescheid vom 1. September 2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei der Liposuktion um eine Behandlungsmethode handele, die nicht Bestandteil der vertrags-/kassenärztlichen Leistungen sei. Als so genannte “neue Behandlungsmethode" könne die Liposuktion Bestandteil des Leistungsspektrums der gesetzlichen Krankenversicherung erst nach positiver Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen sein. Die Methode sei jedoch bislang noch nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt worden.
Hiergegen legte die Klägerin am 2. Oktober 2009 Widerspruch ein. Sie wies darauf hin, dass es zu der Liposuktion aus ihrer Sicht keine Behandlungsalternative gebe. Sie habe ihre Ernährung seit langer Zeit geändert und führe dies konsequent weiter. Regelmäßige sportliche Aktivitäten gehörten zu ihrem Tagesablauf. Sie verwende Kompressionsstrümpfe und erhalte mittlerweile zweimal wöchentlich Lymphdrainage. Mittlerweile seien auch ihre Arme befallen. Ihre Erkrankung sei auch mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. anerkannt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2010 wies die Beklagte den Widerspruch nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens zurück.
Die Klägerin ließ zwischenzeitlich eine Behandlungseinheit der Liposuktion auf eigene Kosten durchführen.
Die Klägerin hat am 12. Mai 2010 Klage bei dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.
Sie hat vorgetragen, dass es an Behandlungsalternativen mangele und sie dringend behandlungsbedürftig sei. Ihre Schmerzen seien unerträglich. Auch nach einer Nulldiät in der Vergangenheit habe sich keine Reduzierung gezeigt. Sie trage täglich Kompressionsstrümpfe und treibe regelmäßig Sport. Zusätzlich gehe sie täglich 45 - 60 Minuten spazieren. Sie habe ihre Ernährung umgestellt. Sie erhalte regelmäßig Lymphdrainage. Die Beklagte hat die Begründungen von Ausgangsbescheid und Widerspruchsbescheid wiederholt und vertieft.
Mit Gerichtsbescheid vom 25. August 2010, der Klägerin zugestellt am 31. August 2010, hat das Sozialgericht Darmstadt die Klage abgewiesen.
Der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Liposuktion zu. Der Anspruch ergebe sich nicht aus § 27 SGB V. Danach hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, die unter anderem auch die ärztliche Behandlung umfasse. Die vertragsärztliche Versorgung sei dabei nach § 72 Abs. 2 SGB V im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse für Ärzte bzw. Zahnärzte und Krankenkassen durch schriftliche Verträge so zu regeln, dass eine ausreichende, zweck...