Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Arbeitslosengeld II. Übergangsregelung
Leitsatz (redaktionell)
Die Regelung des § 190 Abs. 3 S. 1 SGB III, wonach Arbeitslosenhilfe längstens bis zum 31.12.2004 bewilligt werden durfte, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Einer Übergangsregelung bedurfte es nicht.
Normenkette
SGB III § 190 Abs. 3 S. 1
Tatbestand
In dem Rechtsstreit geht es um die Rechtmäßigkeit der Befristung des Anspruchs der Klägerin auf Arbeitslosenhilfe zum 31. Dezember 2004.
Die 1950 geborene Klägerin stand ausweislich der vorliegenden Zahlungsnachweise erstmals in den Jahren 1975 bis 1977 jeweils kurzfristig im Leistungsbezug bei der Beklagten, weiter von November 1981 bis Oktober 1985, ab November 1987 bis Juli 1989 und seit Oktober 1991 bis zum 31. Dezember 2004 (mit kurzfristigen Unterbrechungen). Mit Bescheid vom 1. Juni 2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin weiterhin Arbeitslosenhilfe in Höhe von 164,57 € wöchentlich (entsprechend 713,14 € monatlich, Bemessungsentgelt 430,- €, Leistungsgruppe B, Kindermerkmal 1). Die Dauer der Bewilligung wurde zum 31. Dezember 2004 befristet. Seit 1. Januar 2005 bezieht die Klägerin Leistungen (sog. Arbeitslosengeld II) nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB 2), und zwar für die ersten zwei Monate in Höhe von monatlich 894,33 € und danach wegen anschließend eingetretener Volljährigkeit der Tochter in geringerer Höhe. Gegen den Bescheid vom 1. Juni 2004 hat die Klägerin am 23. Juni 2004 Widerspruch eingelegt mit der Begründung, die Streichung der Arbeitslosenhilfe und damit auch deren Befristung zum 31. Dezember 2004 seien rechts- und verfassungswidrig. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2004 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen unter Hinweis auf § 190 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3). Mit Wirkung vom 1. April 2004 sei diese Vorschrift durch das 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I. S. 2954) wie folgt neu gefasst worden: “Die Arbeitslosenhilfe darf längstens bis zum 31.12.2004 bewilligt werden.„ Des weiteren seien durch das vorgenannte Gesetz die Vorschriften der §§ 190 bis 206 (Arbeitslosenhilfe) mit Wirkung zum 1. Januar 2005 ganz aufgehoben worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 15. Juli 2004 Klage erhoben und unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die vorläufige Weiterzahlung der Arbeitslosenhilfe über den 31. Dezember 2004 hinaus sowie die Vorlage zum Bundesverfassungsgericht (BverfG) zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des SGB 2 (soweit leistungsrechtliche Ansprüche betroffen seien) begehrt. Sie hat u. a. vorgetragen, es sei absehbar, dass ab Januar 2005 eine Grundabsicherung für sie nicht mehr gewährleistet sei und sie binnen weniger Monate größter Existenznot ausgesetzt werde. Die Höhe des geplanten Arbeitslosengeldes II werde so gering sein, dass eine menschenwürdige Existenz in Deutschland de facto fast unmöglich werde. Die Leistungen würden zu einer Lebensführung unterhalb des sozialstaatlich gebotenen Existenzminimums und zu einer fatalen Unterdeckung der relevanten Bedarfe führen. Der drohende Zustand verstoße grundlegend gegen das Sozialstaatsprinzip der Artikel 20, 28 Grundgesetz (GG). Ferner liege ein Verstoß gegen die Artikel 1 Absatz 1, 2 Absatz 1, 3 Absatz 1, 11 Absatz 1, 12, 13 Absatz 1, 14, 19 Absatz 2 und 33 Absatz 1 GG vor. Mit Gerichtsbescheid vom 5. November 2004 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, nach Ablauf des Bewilligungsabschnittes zum 31. Mai 2004 habe die Beklagte zutreffend gemäß § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB 3 die Wiederbewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 1. Juni 2004 nicht mehr für ein Jahr, sondern nur noch bis zum 31. Dezember 2004 vorgenommen. Diese Befristung sei nicht verfassungswidrig, weshalb eine Vorlage an das BverfG nicht in Frage komme. Der Gesetzgeber sei in Zeiten knapper Kassen berechtigt, insbesondere in allen Sozialleistungsbereichen einen strengeren Bedürftigkeitsmaßstab an ausschließlich steuerfinanzierte Leistungen anzulegen und so den einzelnen in eine stärkere Verantwortung zu nehmen. Die neu geschaffene Grundsicherung orientiere sich ausschließlich am Bedarf des Arbeitslosen und der mit ihm in einer sog. Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Dem Gesetzgeber stehe im Sozialrecht ein besonders weiter Gestaltungsspielraum zu, der nur einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliege. Eine Verletzung des Eigentums gemäß Artikel 14 GG scheide schon deshalb aus, da der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie unterfalle.
Gegen den am 17. November 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 9. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, durch das SGB 2 falle die Gesetzgebung auf den Stand vor Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zurück. Der erwerbsfähige Mensch werde wieder zum Objekt der Arbeitsfürsorge, ohne...