Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlanfechtungsklage. Ungültigkeit der im Jahr 2017 in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte durchgeführten Wahl zur Vertreterversammlung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Beschränkung der wahlberechtigten Rentenbezieher auf die Gruppe derjenigen, die eine Rente aus der Unfallversicherung beziehen. mandatsrelevanter Wahlfehler
Leitsatz (amtlich)
Die im Jahr 2017 in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte durchgeführte Wahl zur Vertreterversammlung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau war fehlerhaft, weil sie lediglich in der Unfallversicherung durchgeführt wurde und daher insbesondere Personen, die eine Altersrente der Alterssicherung der Landwirte beziehen und nicht bei der Beklagten unfallversichert sind, von der Wahl ausgeschlossen wurden.
Normenkette
SGB IV § 31 Abs. 1 S. 1, § 44 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Sätze 1-2, § 45 Abs. 1 S. 3, § 47 Abs. 1 Nrn. 2-3, Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4-5, § 48 Abs. 1 Nr. 4, § 50 Abs. 1, § 51 Abs. 1, 4, § 57 Abs. 2, 3 Sätze 2-3, Abs. 4, § 32 Fassung: 2007-12-19; ALG §§ 11-13, 49 Fassung: 2007-12-19; KVLG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 17 Abs. 1 Fassung: 2012-12-31; LSV-NOG § 2; LSV-NOG § 3 Abs. 1; SVWO § 24 Abs. 1 S. 1, § 34 Abs. 2; SGB XI § 46 Abs. 1, 2 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 1; SGG § 51 Abs. 1, § 75 Abs. 2, § 131 Abs. 4, § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 197a Abs. 1 S. 1; GVG § 17a Abs. 5; VwGO § 154 Abs. 1; GKG § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 9. August 2018 aufgehoben. Die im Jahr 2017 in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte durchgeführte Wahl zur Vertreterversammlung der Beklagten ist ungültig. Die Wahl muss wiederholt werden.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens für beide Instanzen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit der Wahl zur Vertreterversammlung der beklagten Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte anlässlich der Sozialversicherungswahlen im Jahre 2017.
In seiner Sitzung vom 13. Januar 2016 bestellte der Vorstand der Beklagten den Wahlausschuss für die Sozialwahlen 2017. Am 14. November 2016 reichte der Kläger als Listenvertreter die Vorschlagsliste „Freie Liste A., G., H., I., K.“ zur Wahl in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte ein. Der Kläger war als Eigentümer von land- und forstwirtschaftlichen Flächen als Selbstständiger ohne fremde Arbeitskräfte bei der Beklagten versichert. Mit Beschluss vom 5. Januar 2017 wies der Wahlausschuss die Vorschlagsliste mit der Begründung zurück, es handele sich nicht um eine freie Liste. Hiergegen legte der Kläger als Listenvertreter am 17. Januar 2017 Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 2. Februar 2017 ließ der Bundeswahlausschuss die Vorschlagsliste „Freie Liste A., G., H., I., K.“ zur Wahl der Vertreterversammlung der Beklagten in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte zu.
Mit E-Mail vom 31. März 2017 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass Altenteiler, die keine Rückbehaltsfläche mehr hätten, nicht mehr als Unternehmer geführt würden und auch keinen Beitragsbescheid erhielten, nicht in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte wahlberechtigt seien.
Mit seinem am 4. April 2017 beim Sozialgericht Kassel eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragte der Kläger festzustellen, dass sämtliche Rentenbezieher in der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau ohne Beschränkung auf die Rentenbezieher in der Unfallversicherung in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte gemäß § 47 Abs. 3 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für die kommende Sozialwahl 2017 wahlberechtigt sind, sofern sie dieser Gruppe unmittelbar vor dem Ausscheiden aus der versicherten Tätigkeit angehört haben. Zur Begründung trug der Kläger im Wesentlichen vor, die Beklagte verkürze in unzulässiger Weise das Wahlrecht von etwa 550.000 Rentenbeziehern in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte, indem sie den Begriff der Rentenbezieher in § 47 Abs. 3 Nr. 2 SGB IV so auslege, dass davon lediglich Bezieher einer gesetzlichen Unfallrente in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, nicht aber Bezieher von anderen Renten der Beklagten erfasst seien. Mit Beschluss vom 13. April 2017 (S 9 U 3/17 ER) lehnte das Sozialgericht den Antrag ab. Die Beschwerde des Klägers wies der 2. Senat des Hessischen Landessozialgerichts mit Beschluss vom 12. Mai 2017 (L 2 AR 1/17 B ER) zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, es fehle an einem offensichtlichen Wahlverstoß, da nach der summarischen Prüfung des Senats das von...