Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahlanfechtungsklage. Ungültigkeit der im Jahr 2017 in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte durchgeführten Wahl zur Vertreterversammlung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Beschränkung der wahlberechtigten Rentenbezieher auf die Gruppe derjenigen, die eine Rente aus der Unfallversicherung beziehen. mandatsrelevanter Wahlfehler

 

Leitsatz (amtlich)

Die im Jahr 2017 in der Gruppe der Arbeitgeber durchgeführte Wahl zur Vertreterversammlung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau war fehlerhaft, weil sie lediglich in der Unfallversicherung durchgeführt wurde und daher insbesondere Personen, die eine Altersrente der Alterssicherung der Landwirte beziehen und nicht bei der Beklagten unfallversichert sind, von der Wahl ausgeschlossen wurden.

 

Orientierungssatz

Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil sowie das vorinstanzliche Urteil des SG Kassel wirkungslos.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 9. August 2018 aufgehoben. Die im Jahr 2017 in der Gruppe der Arbeitgeber durchgeführte Wahl zur Vertreterversammlung der Beklagten ist ungültig. Die Wahl muss wiederholt werden.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens für beide Instanzen.

III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit der Wahl zur Vertreterversammlung der beklagten Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau in der Gruppe der Arbeitgeber anlässlich der Sozialversicherungswahlen im Jahr 2017.

In seiner Sitzung vom 13. Januar 2016 bestellte der Vorstand der Beklagten den Wahlausschuss für die Sozialwahlen 2017. Am 23. März 2016 setzte der Wahlausschuss das Unterschriftenquorum für Vorschlagsberechtigte nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV - (freie Listen) auf 1.000 fest.

Der Kläger war Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft A. e. V. (AA) und bei der Beklagten versichert. Am 17. November 2016 reichte er als Listenvertreter der freien Liste „E., F., L., M., N.“ diese Vorschlagsliste für die Wahl der Vertreterversammlung der Beklagten in der Gruppe der Arbeitgeber ein und fügte 986 Unterstützerunterschriften bei. Mit Beschluss vom 5. Januar 2017 wies der Wahlausschuss der Beklagten die Vorschlagsliste des Klägers mit der Begründung zurück, dass es sich nicht um eine freie Liste handele und nicht die erforderliche Anzahl an Unterstützerunterschriften von 1.000 eingereicht worden sei. Es seien lediglich 986 Unterschriften eingegangen, von denen nur 888 gültig seien. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers vom 14. Januar 2017 wies der Bundeswahlausschuss mit Beschluss vom 2. Februar 2017 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, das im aktuellen Wahlverfahren verwendete Berechnungsmodell, wonach die Beklagte zum 31. Dezember 2014 1.155.251 Versicherte im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV gehabt habe, beruhe auf realistischen Grundlagen. Insbesondere sei es nicht zu beanstanden, wenn bezüglich der Zahl der in der Land- und Forstwirtschaft haupt- und nebenberuflich tätigen Menschen von den Ergebnissen der letzten Agrarstrukturerhebung 2013 ausgegangen werde.

Den Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 57 Abs. 5 SGB IV lehnte das Sozialgericht Kassel mit Beschluss vom 8. Februar 2017 ab (S 1 U 1/17 ER).

Die Wahl zur Gruppe der Arbeitgeber fand ohne Wahlhandlung als sog. Friedenswahl statt. Am 9. Februar 2017 wurde das Ergebnis der Wahl bekannt gemacht.

Am 8. März 2017 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, das Unterschriftenquorum sei rechtswidrig nach § 48 Abs. 2 SGB IV auf 1.000 statt auf 500 festgesetzt worden, so dass die freie Liste E., F., L., M., N., die 888 gültige Unterstützerunterschriften vorgelegt habe, zur Wahl hätte zugelassen werden müssen. Rechtswidrig habe der Wahlausschuss die Anzahl der Versicherten auf 1.155.251 geschätzt. Personen, die nicht mindestens sechs Monate (oder 26 Wochen) im Jahr mindestens 20 Stunden pro Monat eine die Versicherung begründende Tätigkeit ausübten, gehörten nicht zur Gruppe der Versicherten nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Dies gelte insbesondere auch für Saisonarbeitskräfte in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau, die in den Agrarstrukturerhebungen des statistischen Bundesamtes gerade dadurch von den ständigen Arbeitskräften abgegrenzt würden, dass sie Arbeitskräfte mit einem auf weniger als sechs Monate befristeten Arbeitsvertrag seien. Damit seien 314.300 Saisonarbeitskräfte von der vom Wahlausschuss berechneten bzw. der geschätzten Gesamtzahl abzuziehen. Die Beschäftigungsdauer von mindestens sechs Monaten im Jahr, um bei der Beklagten als Versicherter eingestuft zu werden, nenne § 47 SGB IV an anderer Stelle auch selbst, und zwar i...

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