Entscheidungsstichwort (Thema)

Kranken- und Pflegeversicherung. Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder. hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 240 Abs 1 S 3, S 4 SGB V idF durch das GKV-VEG vom 11.12.2018, die für bestimmte freiwillig Versicherte eine rückwirkende Korrektur der Beitragsfestsetzung nach dem Höchstbeitrag ermöglicht, ist auf den Personenkreis der hauptberuflich Selbständigen nicht anwendbar; für diese trifft § 240 Abs 4a S 4 SGB V eine eigene Regelung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berechnung der Beiträge des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung im Zeitraum 1. August 2015 bis 31. Mai 2016.

Der 1962 geborene Kläger war bis 31. August 2016 als hauptberuflich selbstständig Tätiger freiwilliges Mitglied bei der Beklagten zu 1) und dem folgend Pflichtmitglied bei der zu 2) beklagten Pflegekasse der Beklagten.

Anfang Juni 2016 reichte der Kläger bei der Beklagten seine Einkommenssteuerbescheide der Jahre 2014 und 2015 ein. Im Einkommensteuerbescheid vom 6. Juli 2015 legte das Finanzamt Bad Homburg der Berechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2014 Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer i.H.v. 34.221,- € zugrunde. Der Einkommensteuerbescheid vom 30. Mai 2016 für das Jahr 2015 schloss mit Einkünften aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer i.H.v. 8.491,- €.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2016 setzten die Beklagten die monatlichen Beiträge ab 1. August 2015 zur Krankenversicherung auf 424,91 € und zur Pflegeversicherung auf 74,15 €, ab 1. Januar 2016 zur Krankenversicherung auf 430,61 € und zur Pflegeversicherung auf 74,15 € fest. Als Bemessungsgrundlage zogen sie die im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2014 ausgewiesenen Einkünfte i.H.v. 34.221,- € heran.

Der Kläger erhob am 12. Juli 2016 Widerspruch. Seine Einkünfte müssten nach dem Steuerbescheid für das Jahr 2015 berechnet werden und rechtfertigten lediglich eine Festsetzung des Mindestbeitrags.

Die Beklagten wiesen den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2017 zurück. Maßgeblich sei das Datum des Erlasses des Einkommensteuerbescheids, weswegen der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 6. Juli 2015 zu einer Änderung der Beiträge ab 1. August 2015 geführt habe. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 sei erst im Mai 2016 erlassen worden und könne daher erst ab 1. Juni 2016 der Berechnung zugrunde gelegt werden. Ab diesem Zeitpunkt sei sodann die monatliche (Mindest-)Beitragsbemessungsgrundlage i.H.v. 1.452,50 € heranzuziehen, da die tatsächlichen Einnahmen unterhalb dieser Grenze gelegen hätten.

Hiergegen hat der Kläger am 27. Februar 2017 Klage am Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.

Mit Urteil vom 13. Dezember 2021 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 16. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2017 teilweise aufgehoben, soweit ein monatlicher Gesamtbeitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. August 2015 i.H.v. mehr als 248,10 € bzw. ab 1. Januar 2016 von mehr als 257,10 € festgesetzt worden ist. Als Beitragsbemessungsgrundlage sei ab 1. August 2015 (lediglich) ein nach Maßgabe der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillig versicherte Selbständige berechnetes monatliches Einkommen i.H.v. 1.417,50 €, ab 1. Januar 2016 i.H.v. 1.452,50 € zugrunde zu legen. Die Höhe des Beitrags zur Krankenversicherung ergebe sich für den Kläger als freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich aus § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung i.V.m. den „Einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge“ (Beitragsverfahrens-grundsätze Selbstzahler - BVSzGs). Auf der Grundlage dieser Vorschriften hätten die Beklagten grundsätzlich zutreffend die Beiträge festgesetzt. Im Fall des Klägers sei jedoch der mit Wirkung zum 15. Dezember 2018 eingeführte § 240 Abs. 1 S. 4 SGB V heranzuziehen. Danach habe die Krankenkasse für Zeiträume, für die ihr hinreichende Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds die jeweils anzuwendende Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nicht überschritten, die Beiträge des Mitglieds neu festzusetzen. Für eine rückwirkende Anwendung spreche der Sinn und Zweck der Regelung, wie er sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 24. September 2018 (BT-Drs. 19/5554) zum Entwurf des GKV-VEG ergebe. Sie ermögliche die rückwirkende Korrektur der Beitragsfestsetzung auf den Höchstbetrag in den Fällen, in denen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte kl...

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