Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Übernahme der Kosten für die Versorgung mit Essen auf Rädern. Notwendigkeit des Nachweises tatsächlicher Aufwendungen bei der nachträglichen Geltendmachung von Ansprüchen zur Essensversorgung, Bestellung eines besonderen Vertreters bei partieller Prozessunfähigkeit
Orientierungssatz
1. Die nachträgliche Übernahme der Kosten für die Versorgung mit “Essen auf Rädern„ durch den Sozialhilfeträger scheidet schon dann aus, wenn der Hilfebedürftige den Nachweis schuldig bleibt, dass er die Leistungen zur Essensversorgung im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt beschafft hat und ihm damit Kosten bzw. offene Verbindlichkeiten aus der Belieferung entstanden sind.
2. Einzelfall zur Bestellung eines besonderen Vertreters bei partieller Prozessunfähigkeit wegen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 23. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf einen Zuschuss in Höhe von 191,45 Euro monatlich für "Essen auf Rädern" nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - SGB XII.
Der Kläger bezieht laufende Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Er leidet unter Diabetes mellitus Typ 2, diabetischer Polyneuropathie, peripherer arterieller Verschlusskrankheit St. II b, KHK, Zustand nach Vorderwandinfarkt 1999, arterieller Hypertonie, Adipositas per magna, rezidiv-depressiver Erkrankung, Persönlichkeitsstörung und chronischem LWS-Syndrom.
Am 14. Dezember 2011 beantragte der Kläger die Übernahme von Kosten für Essen auf Rädern beim Beklagten. Mit Bescheid vom 19. Januar 2012 lehnte der Beklagte die Bewilligung eines Essenszuschusses ab, da es sich um eine Leistung im Rahmen der Altenhilfe gemäß § 71 SGB XII handele; eine Leistungsgewährung im Rahmen der Altenhilfe könne frühestens ab Vollendung des 60. Lebensjahres erfolgen.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 23. Januar 2012 Widerspruch ein. Am 14. Juli 2012 beantragte der Kläger erneut die Gewährung der Kosten für Essen auf Rädern. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Juli 2012 ab. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. Januar 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2012 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 20. August 2012 Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben und geltend gemacht, dass er einen Anspruch auf Versorgung mit Essen auf Rädern habe und der Pflegedienst nicht für ihn koche. Das Kochen werde nicht von der hauswirtschaftlichen Versorgung erfasst. Aus diesem Grund habe er einen Anspruch auf Versorgung mit Essen auf Rädern.
Das Sozialgericht hat die Akten der Verfahren zwischen den Beteiligten mit dem Aktenzeichen S 18 S0 11/10 VR, und S 18 SO 164/12 ER VR beigezogen.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. Oktober 2012 hat das Sozialgericht nach Anhörung der Beteiligten die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid vom 19. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2012 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme von Kosten für die Versorgung mit Essen auf Rädern gegen den Beklagten nach § 19 Abs. 3 SGB XII i. V. m. §§ 61 Abs. 1 Satz 2, 63 Satz 2, 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII.
Nach § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sei Hilfe zur Pflege auch Kranken und behinderten Menschen zu leisten, die voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen oder einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 haben oder die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach § 61 Abs. 5 SGB XII bedürfen. § 61 Abs. 1 S. 1 SGB XII fordere für Pflegeleistungen einen erheblichen Pflegebedarf im Sinne des SGB XI, der bei dem Kläger nicht vorliege. Denn die Pflegegutachten vom 2009 und 2011 kämen zum Ergebnis, dass beim Kläger kein Pflegebedarf im Sinne der Einstufung in eine Pflegestufe bestehe.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Beihilfen für die Versorgung mit Essen auf Rädern, denn es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger Essen auf Rädern beziehen müsse, um so seine Versorgung sicherzustellen. Zwar geht aus den Pflegegutachten vom 14. September 2009 und vom 7. April 2011 hervor, dass die Gutachterin die Versorgung mit Essen auf Rädern neben der hauswirtschaftlichen Versorgung empfehle; jedoch seien die Pflegegutachten und der Befundbericht von Dr. J. nicht überzeugend: Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger durch den Umfang der ihm gewährten hauswirtschaftlichen Versorgung nicht hinreichend versorgt sei und eine Beihilfe zur Versorgung mit Essen auf Rädern erforderlich sei, denn aus den Pflegegutachten sei nicht zu entnehmen, dass der Kläger nicht in der Lage sei, sich sein Essen selbst zuzubereiten. Entsprechende körperliche Einschränkungen des Klägers seien weder i...