Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Übernahme der Kosten für die Versorgung mit Essen auf Rädern. Notwendigkeit des Nachweises tatsächlicher Aufwendungen bei der nachträglichen Geltendmachung von Ansprüchen zur Essensversorgung, Bestellung eines besonderen Vertreters bei partieller Prozessunfähigkeit
Orientierungssatz
1. Die nachträgliche Übernahme der Kosten für die Versorgung mit “Essen auf Rädern„ durch den Sozialhilfeträger scheidet schon dann aus, wenn der Hilfebedürftige den Nachweis schuldig bleibt, dass er die Leistungen zur Essensversorgung im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt beschafft hat und ihm damit Kosten bzw. offene Verbindlichkeiten aus der Belieferung entstanden sind.
2. Einzelfall zur Bestellung eines besonderen Vertreters bei partieller Prozessunfähigkeit wegen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 12. September 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen von Essen auf Rädern nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII).
Der Kläger bezieht laufende Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Er leidet unter Diabetes mellitus Typ 2, diabetischer Polyneuropathie, peripherer arterieller Verschlusskrankheit St. II b, KHK, Zustand nach Vorderwandinfarkt 1999, arterieller Hypertonie, Adipositas permagna, rezidive-depressive Erkrankung, Persönlichkeitsstörung und chronischem LWS-Syndrom.
Der Kläger beantragte am 27. September 2009 monatlich 105,00 Euro für spezielle natriumverminderte Diabetikermenüs von Essen auf Rädern. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung eines Essenszuschusses ab, da es sich um eine Leistung im Rahmen der Altenhilfe gemäß § 71 SGB XII handele. Hiernach solle die Altenhilfe dazu beitragen, die Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen, zu verhüten, zu überwinden oder zu mildern. Zum berechtigten Personenkreis zählten "alte Menschen." Die Altersgrenze des § 71 SGB XII stütze sich auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Demnach gehörten zum Personenkreis der "alten Menschen" Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet hätten. Die Altersgrenze des § 71 SGB XII sei zwar nicht starr auf die Vollendung des 65. Lebensjahr auszulegen, jedoch habe eine Leistungsgewährung frühestens ab Vollendung des 60. Lebensjahres zu erfolgen.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 19. Oktober 2009 Widerspruch gegen den Bescheid ein, diesen hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2010 zurückgewiesen. Ein Anspruch des Klägers bestehe nicht. Die Inanspruchnahme des Dienstes Essen auf Rädern könne notwendig sein, wenn eine Person nicht in der Lage sei, sich ein warmes Mittagessen selbst zuzubereiten und auf die Zulieferung zubereiteter Speisen angewiesen sei. Eine Übernahme dieser Leistung erfolge bei Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet hätten. Aus einem Attest des Hausarztes Dr. J. ergebe sich nicht, dass der Kläger nicht in der Lage sei, sich ein Mittagessen selbst zu zubereiten. Des Weiteren habe der Fachdienst Gesundheit des Wetteraukreises in seiner Stellungnahme festgestellt, dass eine medizinische Notwendigkeit für eine Teilnahme an Essen auf Rädern nicht bestehe.
Am 31. Januar 2010 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 19. Februar 2010 die Kosten einer besonderen Pflegekraft im Umfang von täglich 51 Minuten zuzüglich Leistungskomplex 1, Grundkomplex täglich 1 mal 12,60 Euro zuzüglich den entsprechenden Hausbesuchspauschalen. Mit weiterem Bescheid vom 14. April 2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger die Kosten einer besonderen Pflegekraft nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII im Umfang von 357 Minuten wöchentlich.
Das Sozialgericht hat beim behandelnden Hausarzt des Klägers Dr. J. einen Befundbericht vom 14. Mai 2012 eingeholt. Ferner hat es eine Stellungnahme der Pflegesachverständigen K. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen vom 19. Juni 2012 eingeholt. Diese hat unter anderem ausgeführt: "Zusammenfassend bedeutet der in der bisherigen Begutachtung verwendete Begriff "empfohlen", dass aus medizinisch/pflegerischer Sicht die Versorgung mit Essen auf Rädern eine Möglichkeit zu einer angemessenen, dem Diabetes und dem Übergewicht angepassten, Essensversorgung darstellt. Die Versorgung mit Essen auf Rädern ist jedoch nicht zusätzlich, das heißt Additiv zur hauswirtschaftlichen Versorgung zu sehen. Bei der Versorgung mit Essen auf Rädern sollte aus meiner Sicht der hauswirtschaftliche Umfang insbesondere bzgl. des Kochens reduziert werden." Das Sozialgericht hat weiterhin eine Auskunft Pflegedienst 2000 eingeholt.
Am 14. Dezember 2011 hat der Kläger erneut die Übernahme von Kosten für Essen a...