Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB 10. Aufrechnung durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung. keine Aufrechnung nach § 51 SGB 1. kein Verwaltungsakt
Leitsatz (amtlich)
Die Aufrechnung des Leistungsträgers gegen einen Anspruch auf Erstattung der Kosten im Vorverfahren nach § 63 SGB 10 kann durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung entsprechend § 387 BGB erfolgen, einer Entscheidung durch Verwaltungsakt bedarf es nicht.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. September 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine von dem Beklagten erklärte Aufrechnung.
Der Kläger bezieht von dem Beklagten ergänzende Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit bestandskräftigem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. Februar 2009 forderte der Beklagte von dem Kläger die Erstattung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 760,69 Euro. In einer anderen Angelegenheit half der Beklagte einem Widerspruch des Klägers mit Abhilfebescheid vom 20. Mai 2010 ab und erklärte sich bereit, die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach zu übernehmen. Mit Kostenrechnung vom 25. Februar 2010 machten die Bevollmächtigten des Klägers Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 309,40 Euro geltend. Mit Schreiben vom 25. Juni 2010 teilte der Beklagte dem Kläger und seinen Bevollmächtigten mit, dass die Kosten in Höhe von 309,40 Euro grundsätzlich erstattungsfähig seien, dieser Anspruch aber gegen die Forderung aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. Februar 2009 aufgerechnet werde.
Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung an den Beklagten hat der Kläger am 16. Juli 2010 beim Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Er hält die Aufrechnung für unzulässig, da sie dazu führe, dass Hilfebedürftige keinen Rechtsschutz mehr erlangen könnten. Die Aufrechnung verstoße gegen § 394 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und § 54 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Der Beklagte hat vorgetragen, die Aufrechnung sei zulässig. § 54 SGB I sei nicht anwendbar.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. September 2010 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klage sei als isolierte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung von 309,40 Euro sei nach § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen. Die Voraussetzungen einer Aufrechnung nach den § 387 ff. BGB lägen vor. Es handele sich um gegenseitige Forderungen. Der Beklagte sei Schuldner der Hauptforderung (dem Anspruch auf Kostenerstattung) und Gläubiger der Erstattungsforderung aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. Februar 2009. § 9 Satz 2 Beratungshilfegesetz (BerHG), wonach der Anspruch auf die Vergütung des Rechtsanwalts auf diesen übergehe, wenn der Gegner verpflichtet sei, die Kosten der Wahrnehmung seiner Rechte zu ersetzen, greife nicht ein. Beratungshilfe habe der Kläger zwar beantragt, bisher aber nicht erhalten. Eine Abtretung sei ebenfalls nicht erfolgt. Die Forderungen seien als Ansprüche auf Geld gleichartig. Die Forderung des Beklagten aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. Februar 2009 sei wirksam und fällig. Der Bescheid sei bestandskräftig geworden. Die Hauptforderung, also die Forderung des Klägers aus § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), sei auch erfüllbar. Die Aufrechnung habe der Beklagte mit Schreiben vom 25. Juni 2010 erklärt. Diese Erklärung sei dem Kläger auch zugegangen, da der Klägervertreter zum Empfang von Willenserklärungen berechtigt gewesen sei.
Der Aufrechnung stehe auch nicht § 43 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) entgegen. Nach dieser Vorschrift könnten Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zu einem Betrag in Höhe von 30 Prozent der für den Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung mit Ansprüchen der Träger von Leistungen nach diesem Buch aufgerechnet werden, wenn es sich um Ansprüche auf Erstattung oder auf Schadensersatz handele, die der Hilfebedürftige durch vorsätzliche oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst habe. Bei den begehrten 309,40 Euro handele es sich um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X und nicht um Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne dieser Vorschrift.
Ebenso wenig stehe der Aufrechnung § 51 i. V. m. § 54 SGB I entgegen. Nach § 51 Abs. 1 SGB I könne der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen des Berechtigten aufrechnen, soweit diese Ansprüche nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar seien. Geldleistungen im Sinne dieser Vorschrift seien die Leistungen der §§ 11, 18 bis 29 SGB I (BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 KR 21/03 R -). Dazu sei es erforderlich, dass es sich um Soz...