Entscheidungsstichwort (Thema)

Fälligkeit von Sozialleistungen. Pflegegeld

 

Orientierungssatz

1. Monatlich bemessene laufende Geldleistungen sind im Sozialrecht durchweg am Monatsanfang fällig und Ausnahmen von diesem Grundsatz jeweils ausdrücklich geregelt (vgl BSG vom 25.10.1994 - 3/1 RK 51/93 = SozR 3-2500 § 57 Nr 4).

2. Aus diesem Fälligkeitszeitpunkt ergibt sich indes nicht, dass das Pflegegeld grundsätzlich auch genau am 1. Kalendertag des Monats, für das es gezahlt wird, zur Verfügung stehen muss. Fälligkeit bezeichnet im Sozialrecht wie im Zivilrecht (§ 271 Abs 2 BGB) den Zeitpunkt, ab dem der Berechtigte die Möglichkeit hat, die Leistung sofort beim Versicherungsträger - mit Erfolg - geltend zu machen (vgl BSG vom 13.10.1983 - 11 RA 49/82 = BSGE 56, 1 = SozR 1200 § 44 Nr 9) bzw den Zeitpunkt, in dem der Schuldner die Leistung spätestens bewirken muss (vgl BSG vom 22.2.1995 - 4 RA 88/94). Bei Geldschulden ist der Wohnsitz des Schuldners gemäß § 269 Abs 1 iVm § 270 Abs 4 BGB Leistungsort. Somit ist für die Rechtzeitigkeit der Leistung entscheidend, wann der Schuldner das zur Übermittlung des Geldes seinerseits Erforderliche getan hat, also wann die Leistungshandlung erfolgt ist. Die Verzögerungsgefahr, dh das Risiko verspäteten Eingangs des Geldes trotz rechtzeitiger Leistungshandlung, geht zu Lasten des Gläubigers. Bei Zahlung durch Überweisung ist die Leistungshandlung rechtzeitig, wenn der Überweisungsauftrag vor Fristablauf bei dem Geldinstitut eingeht und auf dem Konto der überweisenden Deckung vorhanden ist. Seit Neuregelung des Überweisungsrechtes in § 676a BGB ist die Leistungshandlung dann vollendet, wenn die Bank den Überweisungsantrag durch Bearbeitung konkludent angenommen hat. Da die Leistungshandlung und nicht der Eintritt des Leistungserfolges entscheidend ist, kommt es auf die Abbuchung vom Schuldnerkonto oder die Gutschrift auf dem Gläubigerkonto nicht an. Danach genügt die Beklagte ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber einem Bezieher von Pflegegeld bereits dann, wenn sie das Pflegegeld am Ersten eines Kalendermonats anweist und zwar unabhängig davon, wann dieses Geld auf dem Konto des Versicherten gutgeschrieben wird. Fällt der Erste des Kalendermonats auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag und wird dadurch die Leistungsbewirkung faktisch unmöglich, genügt die Beklagte in diesen Fällen ihrer Leistungsverpflichtung, wenn sie das Pflegegeld am erstmöglichen Termin nach Fälligkeit, also dem ersten Werktag im Monat, anweist (vgl LSG Essen vom 6.5.2003 - L 6 (16) P 40/02).

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 23. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des zivilgerichtlichen Verfahrens zu tragen. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Erbe seiner 1919 geborenen Mutter E. M. (M.), die 2008 verstarb. Sie hatte gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 57,60 € zuzüglich Zinsen wegen aus ihrer Sicht verspäteter Bezahlung von Pflegegeld geltend gemacht. Frau M. erhielt seit Jahren Pflegegeld für selbstbeschaffte Pflegehilfen nach § 37 Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) nach der Pflegestufe 3, wobei der Kläger als Pflegeperson und Prozessbevollmächtigter wirkte.

Frau M. erhob am 11. August 2004 gegen die Beklagte beim Amtsgericht in Bad Homburg vor der Höhe Klage auf Leistung von Schadensersatz zuzüglich Zinsen, wobei sie geltend machte, die Beklagte überweise das ihr zustehende Pflegegeld regelmäßig nicht zeitgerecht. Es stehe ihr nicht am 1. des jeweiligen Monats um 0.00 Uhr zur Verfügung. Sie lasse regelmäßig am letzten Bankarbeitstag des Vormonats ihr Konto durch ihren Sohn abfragen und sich mit Bargeld versorgen. Wenn, wie so oft, an diesem Tag die Gutschrift des Pflegegeldes nicht erfolgt sei, mache dies weitere Fahrten zur Bank erforderlich, wodurch regelmäßig weitere Fahrkosten entstünden, die sich als Vermögensschaden darstellten und sich pro Fahrt (hin und zurück) auf 4,80 € (8 km x 2 x 0,30 €) beliefen. Von März bis Mai 2003 seien insoweit 6 zusätzliche Fahrten zur Bank angefallen, von November 2003 bis Februar 2004 nochmals 6, was bei insgesamt 12 Fahrten einem Betrag von 57,60 € entspreche.

Ähnliche vorgerichtlich geltend gemachte Ansprüche hatte die Beklagte mit Schreiben vom 01.06.2004 abgelehnt. Den geltend gemachten Schadensersatzanspruch leitete Frau M. aus §§ 823 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) her.

Das Amtsgericht verwies den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28. September 2004 an das Sozialgericht Kassel, da der Rechtsweg zu den Ordentlichen Gerichten nicht gegeben sei. Bei dem Anspruch auf Zahlung des Pflegegeldes handele es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Sozialleistungsträger. Das Vermögen sei kein sonstiges Recht im Sinne von § 823 BGB, so dass deliktische Ansprüche nicht ersichtlich seien. Dem klägerischen Vortrag sei auch nicht zu entnehmen, da...

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