Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Auszahlung von Pflegegeld. Fälligkeitszeitpunkt

 

Orientierungssatz

Die Pflegekasse genügt ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber einem Bezieher von Pflegegeld bereits dann, wenn sie das Pflegegeld am ersten eines Kalendermonats anweist und zwar unabhängig davon, wann dieses Geld auf dem Konto des Versicherten gutgeschrieben wird. Fällt der erste Tag des Kalendermonats auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag und wird dadurch die Leistungsbewirkung faktisch unmöglich, genügt die Pflegekasse ihrer Leistungsverpflichtung, wenn sie das Pflegegeld am erstmöglichen Termin nach Fälligkeit, also dem ersten Werktag im Monat, anweist (vgl LSG Darmstadt vom 30.10.2008 - L 8 P 19/07 = juris RdNr 22).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 12. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht der Zeitpunkt für die Auszahlung von Pflegegeld.

Der 1974 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich pflegeversichert und bezieht derzeit auf der Grundlage eines Bescheides vom 18. Oktober 2017 von der Beklagten Leistungen nach dem Pflegegrad 3.

Am 29. März 2018 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben und darin die Auszahlung des Pflegegeldes jeweils spätestens zum Monatsersten, im Falle eines Feiertags bereits vor dem Monatsersten begehrt. Die Beklagte habe auf seine diesbezügliche Anfrage seit Monaten nicht reagiert.

Im Hinblick auf den vom Kläger geforderten Zeitpunkt der Auszahlung des Pflegegeldes ist seitens der Beklagten weder ein Bescheid noch ein Widerspruchsbescheid erlassen worden. Die Beklagte hat vorgetragen, sie weise das Pflegegeld jeweils zum Monatsersten an. Falle der Monatserste auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschiebe sich die Auszahlung auf den nächsten Werktag im Monat. Diese Praxis sei rechtmäßig.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Oktober 2018 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit sie auf Auszahlung des Pflegegeldes jeweils am Monatsersten gerichtet ist, wenn dieser auf einen Werktag fällt, da dies von der Beklagten bereits so praktiziert werde. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Auszahlung des Pflegegeldes bereits vor dem Monatsersten, wenn dieser auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag falle. Das Sozialgesetzbuch - Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) enthalte keine ausdrückliche Regelung zur Fälligkeit des Anspruchs auf Pflegegeld. Anzuwenden seien daher die allgemeinen Regelungen in § 41 i.V.m. § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB l). Gemäß § 41 SGB I würden Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig, soweit in den besonderen Teile des Sozialgesetzbuches keine Regelung enthalten seien. Gemäß § 40 Abs. 1 SGB I entstünden Ansprüche auf Sozialleistungen sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Danach hänge die Fälligkeit des Pflegegeldes davon ab, wann die in § 37 SGB XI genannten Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Für die bis zum Inkrafttreten des Leistungsrechts des SGB XI geltende Vorschrift des § 57 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) zur Gewährung von Pflegegeld bei Schwerpflegebedürftigkeit habe das Bundessozialgericht entschieden, dass der Anspruch jeweils am Anfang und nicht erst am Ende eines Kalendermonats fällig werde (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1994 - 3/1 RK 51/93 -). Aus diesem Fälligkeitszeitpunkt ergebe sich indes nicht, dass das Pflegegeld grundsätzlich auch genau am 1. Kalendertag des Monats, für das es gezahlt wird, zur Verfügung stehen müsse. Fälligkeit bezeichne im Sozialrecht wie im Zivilrecht (§ 271 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) den Zeitpunkt, ab dem der Berechtigte die Möglichkeit habe, die Leistung sofort beim Versicherungsträger mit Erfolg geltend zu machen bzw. den Zeitpunkt, in dem der Schuldner die Leistung spätestens bewirken müsse. Bei Geldschulden sei der Wohnsitz des Schuldners gemäß § 269 Abs. 1 i.V.m. § 270 Abs. 4 BGB Leistungsort. Somit sei für die Rechtzeitigkeit der Leistung entscheidend, wann der Schuldner das zur Übermittlung des Geldes seinerseits Erforderliche getan habe, also wann die Leistungshandlung erfolgt sei. Bei Zahlung durch Überweisung sei die Leistungshandlung rechtzeitig, wenn der Überweisungsauftrag vor Fristablauf bei dem Geldinstitut eingehe und auf dem Konto der überweisenden Deckung vorhanden sei. Nach § 675c ff. 663 BGB sei die Leistungshandlung dann vollendet, wenn die Bank den Überweisungsantrag durch Bearbeitung konkludent angenommen habe. Da die Leistungshandlung und nicht der Eintritt des Leistungserfolges entscheidend sei, komme es auf die Abbuchung vom Schuldnerkonto oder die Gutschrift auf dem Gläubigerkonto nicht an. Danach genüge die Beklagte ihrer Zahlungsverp...

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