Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegegeld. kein Anspruch auf Auszahlung bereits vor dem Monatsersten

 

Orientierungssatz

Ein Versicherter hat keinen Anspruch auf Auszahlung des Pflegegeldes bereits vor dem Monatsersten, wenn dieser auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger (geb. 1974) ist bei der Beklagten gesetzlich pflegeversichert. Er erhält von ihr Leistungen nach dem Pflegegrad 3 (Bescheid vom 18.10.2017).

Am 29.03.2018 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben und gleichzeitig (erfolglos) um einstweiligen Rechtsschutz (Aktenzeichen S 7 P 22/18 ER) nachgesucht. Er begehrt Auszahlung des Pflegegeldes jeweils spätestens zum Monatsersten, im Falle eines Feiertags bereits vor dem Monatsersten. Die Beklagte habe auf seine diesbezügliche Anfrage seit Monaten nicht reagiert.

Ein Vorverfahren hat der Kläger nicht durchgeführt. Es liegt weder ein Bescheid noch ein Widerspruchsbescheid vor.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger das ihm bewilligte Pflegegeldes jeweils spätestens zum Monatsersten, im Falle eines Feiertags bereits vor dem Monatsersten auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte führte im Rahmen des vor dem Sozialgericht Gießen geführten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes (S 7 P 22/18 ER) aus, sie weise das Pflegegeld jeweils zum Monatsersten an. Falle der Monatserste auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschiebe sich die Auszahlung auf den nächsten Werktag im Monat. Diese Praxis sei rechtmäßig. Hierauf nimmt die Beklagte Bezug.

Die Beklagte erklärte sich mit Schriftsatz vom 14.08.2018 mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden (Bl. 14 der Gerichtsakte). Der Kläger wurde zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit gerichtlichem Schreiben vom 24.08.2018 angehört (vgl. Bl. 30 der Gerichtsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Sein diesbezügliches Ermessen hat das Gericht zugunsten einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ausgeübt. Einwände, die zu einer anderen Entscheidung hätten führen können, haben die Beteiligten nicht vorgebracht. Soweit der Kläger eine Verweisung an den Güterichter beantragt hat, kam dies mangels des hierzu erforderlichen Einverständnisses der Beklagten nicht in Betracht.

Die Klage ist unzulässig, soweit sie auf Auszahlung des Pflegegeldes jeweils am Monatsersten gerichtet ist, wenn dieser auf einen Werktag fällt. Denn dies erfolgt bereits.

Im Übrigen ist die Klage jedenfalls unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung des Pflegegeldes bereits vor dem Monatsersten, wenn dieser auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt.

Das Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) enthält keine ausdrückliche Regelung zur Fälligkeit des hier streitigen Anspruchs auf Pflegegeld. Anzuwenden sind daher die allgemeinen Regelungen in § 41 i.V.m. § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I).

Gemäß § 41 SGB I werden Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig, soweit die besonderen Teile des Sozialgesetzbuches - wie hier das SGB XI - keine Regelung enthalten. Gemäß § 40 Abs. 1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Danach hängt die Fälligkeit des Pflegegeldes davon ab, wann die in § 37 SGB XI genannten Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Für die bis zum Inkrafttreten des Leistungsrechts des SGB XI geltende Vorschrift des § 57 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) zur Gewährung von Pflegegeld bei Schwerpflegebedürftigkeit hat das Bundessozialgericht angenommen, dass der Anspruch jeweils am Anfang und nicht erst am Ende eines Kalendermonats fällig wird (BSG, Urteil vom 25.10.1994 - 3/1 RK 51/93 -).

Aus diesem Fälligkeitszeitpunkt ergibt sich indes nicht, dass das Pflegegeld grundsätzlich auch genau am 1. Kalendertag des Monats, für das es gezahlt wird, zur Verfügung stehen muss. Fälligkeit bezeichnet im Sozialrecht wie im Zivilrecht (§ 271 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) den Zeitpunkt, ab dem der Berechtigte die Möglichkeit hat, die Leistung sofort beim Versicherungsträger mit Erfolg geltend zu machen bzw. den Zeitpunkt, in dem der Schuldner die Leistung spätestens bewirken muss. Bei Geldschulden ist der Wohnsitz des Schuldners gemäß § 269 Abs. 1 i.V.m. § 270 Abs. 4 BGB Leistungsort. Somit ist für die Rechtzeitigkeit der Leistung entscheidend, wann...

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