Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang von Beitragsansprüchen auf einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. unterlassener Beitragsregress. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Orientierungssatz
1. Gehen Beitragsansprüche nach § 119 Abs 1 SGB 10 auf den Rentenversicherungsträger über, erfüllt dieser seine sozialrechtlichen Pflichten zum Einzug der Beiträge aber nicht und kommt es daher zu einer Rentenminderung, hat der Geschädigte keinen persönlichen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger, sondern allenfalls einen Schadensersatzanspruch gegen den Rentenversicherungsträger (vgl BGH vom 21.8.2018 - VI ZR 375/17 sowie OLG Celle vom 27.6.2012 - 14 U 193/10 ).
2. Wenn der Rentenversicherungsträger es verabsäumt, den Beitragsregress herbeizuführen, kommt eine Verpflichtung zur Gutschrift von Pflichtbeitragszeiten im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches in Betracht.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. November 2020 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vormerkung von Beitragszeiten ab 1. Januar 2005 im Wege des Regresses.
Die 1968 geborene Klägerin war am 25. November 2002 als Fußgängerin an einem Verkehrsunfall beteiligt, bei dem es zur Kollision der Klägerin mit einem PKW kam. Bezüglich dieses PKW bestand eine Versicherung bei der B.-Aktiengesellschaft (B.). Bei dem Unfall wurde unter anderem die knöcherne linke Gesichtshälfte der Klägerin zertrümmert.
Zum Zeitpunkt des Unfalls war die Klägerin abhängig beschäftigt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden, wobei das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Dezember 2002 in der Probezeit durch den Arbeitgeber gekündigt wurde. Die Klägerin erzielte im Zeitraum vom 26. August bis 31. Dezember 2002 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 12.438,00 €. Sie bezog vom 1. Januar bis 2. März 2003 Arbeitslosengeld mit einem Bruttowert i.H.v. 4.461,00 € und vom 3. März bis 31. August 2003 erzielte sie ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 23.640,00 €. Im Zeitraum vom 8. September bis 7. Dezember 2003 bezog sie erneut Arbeitslosengeld mit einem Bruttowert i.H.v. 6.636,00 € und im Anschluss daran erzielte die Klägerin vom 8. Dezember 2003 bis 26. Januar 2004 ein Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 3.495,00 €.
Die Klägerin erhob gegen den Führer des PKW sowie die B. Klage am Landgericht Frankfurt am Main (Az. 2-04 O 236/03). Das Verfahren wurde rechtskräftig durch Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. Februar 2008 (Az. 19 U 203/07) dahingehend beendet, dass festgestellt wurde, dass die beklagten Parteien verpflichtet seien, der Klägerin 50 Prozent ihres zukünftigen materiellen und immateriellen Schadens aus dem Unfallereignis vom 25. November 2002 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen seien. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich, dass für Januar und Februar 2003 ein Verdienstausfallschaden i.H.v. 2.081,80 €, sowie vom 1. September 2003 bis 31. Dezember 2004 ein Verdienstausfallschaden i.H.v. 23.453,96 € anerkannt wurden, von denen entsprechend der Quote die beklagten Parteien die Hälfte zu tragen hatten.
Erstmals mit Schreiben vom 13. November 2007 meldete die Beklagte bei der B. Ansprüche aus gesetzlichem Forderungsübergang an. Die B. erklärte mehrfach den Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zuletzt 31. Dezember 2021.
Für den Zeitraum 1. Januar bis 2. März 2003 machte die Beklagte einen Beitragsschaden i.H.v. 166,55 €, vom 1. September bis 31. Dezember 2003 i.H.v. 636,00 €, vom 1. Januar bis 17. Mai 2004 i.H.v. 900,88 € und vom 18. Mai bis 31. Dezember 2004 i.H.v. 1.703,43 €, insgesamt 4.591,03 € mit Schreiben vom 22. Februar 2010 geltend. Die B. zahlte den Betrag, worauf die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 12. Mai 2011 mitteilte, dass die erstatteten Zeiträume als Pflichtbeitragszeiten aufgenommen wurden.
Auf Antragstellung im Oktober 2005 gewährt die Beklagte der Klägerin seit 1. Oktober 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit am 25. November 2002 (Bescheide vom 11. Mai 2010, vom 11. Mai 2011 und vom 20. März 2012).
Die Klägerin macht in einem neuen Zivilrechtsstreit vor dem Landgericht Frankfurt am Main weitere Schadenspositionen gegen den Fahrzeugführer und die B. geltend, u.a. Verdienstausfall seit dem 1. Januar 2005 (Az. 2-27 O 447/13).
Mit Schreiben vom 6. Juni 2014 ergänzte die Beklagte ihre Forderung gegenüber der B. um die Beiträge für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2013 in Höhe von insgesamt 45.264,89 €.
Mit weiterem Schreiben vom 30. Oktober 2015 erweiterte die Beklagte ihre Forderung um die Beiträge für das Jahr 2014 i.H.v. 5.413,49 € auf insgesamt 50.678,38 €.
Die Klägerin machte in einem parallel geführten Petitionsverfahren zum Deutschen Bundestag ...