Rz. 3
Abs. 1 bindet die Befugnis zur Datenübermittlung an die Aufgaben bestimmter öffentlicher Stellen.
Anmerkung: Bis zum 31.12.2012 gehörten auch öffentliche Stellen, sofern diese öffentlich-rechtliche Ansprüche von mindestens 600,00 EUR durchsetzten, zum Empfängerkreis. Seit dem 1.1.2013 findet sich die Übermittlungsgrundlage zur Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Ansprüche in dem zeitgleich in Kraft getretenen § 74a.
2.1.1 Empfänger
Rz. 4
Der Empfängerkreis ist abschließend aufgelistet mit Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten, Behörden der Gefahrenabwehr sowie Justizvollzugsanstalten.
Nur diesen Stellen dürfen die in Abs. 1 genau bestimmten Sozialdaten übermittelt werden, wenn dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Eine solche Aufgabe muss sich aus einem Gesetz oder einer Ermächtigungsgrundlage im Gesetz ergeben; dies können dann auch Verordnungen oder Satzungen sein (z. B. Polizeiverordnungen für bestimmte Bereiche).
§ 72 steht in der Reihe der Übermittlungsvorschriften des Zweiten Kapitels des SGB X gleichwertig neben § 68. Damit ist es zulässig, den Sicherheitsbehörden Daten im Rahmen und unter den leichteren Voraussetzungen des § 68 zu übermitteln, sofern diese in ihren Ersuchen bestätigen, dass sie als Polizeibehörde tätig sind (gilt nur für das Bundeskriminalamt) oder als Behörde der Gefahrenabwehr. Der um Auskunft ersuchte Sozialleistungsträger kann sich auf die Richtigkeit der Angaben in dem Ersuchen verlassen (§ 67d Abs. 1 Satz 2).
2.1.1.1 Polizeibehörden
Rz. 5
Polizeibehörden sind alle Behörden, die formell als solche auftreten (formeller Polizeibegriff). Beispielhaft erwähnt seien hier die Sicherheits- und Ordnungspolizeibehörden, z. B. die Wasserschutz- oder die Verkehrspolizei sowie die Bundespolizei und die Kriminalpolizei.
2.1.1.2 Behörden der Gefahrenabwehr
Rz. 6
Welche Stellen als Behörde der Gefahrenabwehr anzusehen sind, richtet sich nach den jeweiligen Gesetzen der Länder, z. B. dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz in Berlin (ASOG Bln.). Bei all den vorgenannten Stellen muss es sich um deutsche Behörden handeln.
Generell als Behörden der Gefahrenabwehr kommen die Feuerwehr, Bauaufsichts- oder Gewerbeaufsichtsbehörden, die Umweltschutzbehörden der Länder, die Bezirksämter und das Bundeskriminalamt in Betracht.
Für die rechtliche Einordnung der ersuchten Sozialleistungsträger ist es unbedingt erforderlich, dass das Auskunftsersuchen erkennen lässt, dass die anfragende Behörde, die ansonsten nicht zum Adressatenkreis des § 68 SGB X gehört, in diesem Einzelfall als Behörde der Gefahrenabwehr die erfragten Daten benötigt. Der Sozialleistungsträger kann sich auf die Richtigkeit der Angaben in dem Ersuchen verlassen (§ 67d Abs. 1 SGB X).
2.1.1.3 Gerichte
Rz. 7
Die Übermittlungsbefugnis gegenüber Gerichten ist unabhängig von der Art des Gerichts bzw. dem Gerichtszweig.
Neben den Gerichten der Zivilgerichtsbarkeit (einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit) und der Strafgerichtsbarkeit zählen dazu:
- die Finanzgerichte,
- die Arbeitsgerichte,
- die Verwaltungsgerichte,
- die Ehrengerichte der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und
- die Sozialgerichte sowie
- die besonderen Spruchkörper der jeweiligen Gerichtsbarkeit (Familien- oder Disziplinargerichte).
Nicht zu den Gerichten gehören Gerichte, die auf einer privatrechtlichen Grundlage basieren (z. B. Schiedsgerichte).
Es muss sich jeweils um deutsche Gerichte handeln. Eine Übermittlung an ausländische Gerichte, z. B. den Europäischen Gerichtshof oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, scheidet nach § 68 aus.
Die Aufgaben der Gerichte ergeben sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz und den jeweiligen Prozessordnungen.
Für Datenübermittlungen an Sozialgerichte besteht regelmäßig auch eine Übermittlungsbefugnis nach § 69 Abs. 1 (vgl. Komm. zu § 69).
Anfragen von Familiengerichten im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens oder Vollstreckungsverfahrens wegen eines gesetzlichen oder vertraglichen Unterhaltsanspruchs oder über den Versorgungsausgleich können auch nach § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 beantwortet werden (vgl. Komm. zu § 74).
Beide Vorschriften haben keinen vorgegebenen Datenumfang, sondern die zulässige Übermittlung richtet sich nach der Erforderlichkeit.
2.1.1.4 Staatsanwaltschaften
Rz. 8
Empfangsberechtigt nach Abs. 1 sind nur "echte" Staatsanwaltschaften (§§ 141, 142 GVG), nicht diesen partiell gleichgestellte Verwaltungsbehörden, auch wenn diese mit der Durchführung des Ordnungswidrigkeitengesetzes im Bußgeldverfahren die gleichen Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung von Straftaten haben (§ 46 Abs. 2 OWiG).
Die gesetzliche Aufgabenerfüllung von Staatsanwaltschaften ergibt sich aus der Strafprozessordnung.
2.1.1.5 Justizvollzugsanstalten
Rz. 9
Hierbei handelt es sich um Einrichtungen (Anstalten der Landesjustizverwaltungen) zum Vollzug von Freiheitsstrafen oder Unterbringung in der Sicherheitsverwahrung, die in § 139 StVollzG genannt sind. Ihre Aufgaben ergeben sich aus dem Strafvollzugsgesetz.
2.1.2 Übermittlungsumfang
Rz. 10
Der Umfang der zulässig zu übermittelnden Daten ist abschließend aufgezählt. Es soll sich um nicht mehr als Grundin...