0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 76 ist mit der Einführung des SGB IV durch das Gesetz v. 23.12.1976 (BGBl. I S. 3845) am 1.7.1977 in Kraft getreten.
Abs. 3 und 4 wurden mit Wirkung zum 1.1.1989 durch Art. 1 Nr. 7 des Meldepflicht- und Beitragseinzug-Einordnungsgesetzes v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2330) angefügt; Abs. 2 Nr. 3 wurde neu gefasst, Abs. 4 Satz 3 und 4 wurden angefügt durch Art. 2 Nr. 14 des 2. SGB-ÄndG v. 13.6.1994 (BGBl. I S. 1229) mit Wirkung zum 18.6.1994; Abs. 5 wurde angefügt durch Art. 4 Nr. 20 AFRG v. 24.3.1997 (BGBl. I S. 594) mit Wirkung zum 1.1.1998.
Abs. 3, 4 und 5 wurden redaktionell angepasst durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) mit Wirkung zum 1.1.2004.
Durch das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) v. 21.3.2005 (BGBl. I S. 818) wurde Abs. 2 mit Wirkung zum 1.4.2005 deutlich erweitert und durch die Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung v. 31.10.2006 (BGBl. I S. 2407) mit Wirkung zum 8.11.2006 geändert.
Mit dem Gesetz v. 12.11.2009 (BGBl. I S. 3710) wurde das Vierte Buch Sozialgesetzbuch in der seit dem 1.9.2009 geltenden Fassung wiederholt neu bekannt gemacht. Die aktuelle Fassung des § 76 entspricht diesem Stand.
1 Allgemeines
Rz. 2
Abs. 1 der Vorschrift übernimmt für die Versicherungsträger die gleichlautende Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 1 HGrG. Die Verpflichtung, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, ist das Gegenstück zu der Verpflichtung, bei den Ausgaben zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten (vgl. § 69 Abs. 2). Eine vergleichbare Regelung zu § 76 Abs. 1 findet sich im Haushaltsrecht des Bundes in § 34 Abs. 1 BHO.
Die Abs. 2 bis 5 stecken den Rahmen dafür ab, unter welchen Voraussetzungen Versicherungsträger Ansprüche stunden, niederschlagen oder erlassen und Vergleiche abschließen dürfen. Die Regelungen leiten sich aus § 31 HGrG ab. Für die unmittelbare Bundesverwaltung sind § 58 Abs. 1 und § 59 Abs. 1 BHO einschlägig.
Zum Geltungsbereich vgl. § 67.
2 Rechtspraxis
2.1 Erhebung der Einnahmen (Abs. 1)
Rz. 3
Die Verpflichtung, die Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, bedeutet, dass alle dem Sozialversicherungsträger zustehenden Einnahmen jeweils in voller Höhe und unmittelbar bei Fälligkeit zu erheben sind. Dabei spielt es im Einzelfall keine Rolle, ob die Einnahme im Haushaltsplan überhaupt oder in entsprechender Höhe veranschlagt wurde. Der Haushaltsplan enthält hinsichtlich der Einnahmen keine Ermächtigung und er kennt keine Höchstgrenze. Einnahmen sind ausnahmslos dort zu erheben, wo sie im Haushaltsplan veranschlagt sind oder im Fall einer Veranschlagung zu erheben gewesen wären. Das trifft in gleicher Weise für Einnahmen zu, die nach § 13 Abs. 1 SVHV i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 2 SVHV (Bundesagentur für Arbeit: § 35 Abs. 1 BHO i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 und 3 BHO) abweichend von der ansonsten vorgeschriebenen Bruttoveranschlagung bei Ausgabeansätzen abzusetzen sind. Als Einnahmen kommen überwiegend Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und Dritter nach § 20, staatliche Zuschüsse und sonstige Einnahmen in Betracht, die nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige aufgebracht werden. Einnahmeforderungen können außerdem auf der Grundlage des bürgerlichen Rechts auf dem Gebiet fiskalischen Verwaltungshandelns entstehen. In den Haushaltsplänen zugrundeliegenden Gliederungen werden die Einnahmen bei den Versicherungsträgern mit Ausnahme der Bundesagentur für Arbeit im Wesentlichen in den Kontenklassen 2 und 3 erfasst (vgl. Anlagen gemäß § 25 Abs. 2 SRVwV). Zu den erfolgswirksamen Einnahmen gehören auch die Einnahmen der Eigenbetriebe, die in den Wirtschaftsplänen nach § 12 SVHV zu erfassen sind sowie die erfolgsunwirksamen Einnahmen nach § 5 Abs. 2 SVHV aus Rückflüssen von Vermögensanlagen und aus dem Verkauf von Vermögensanlagen.
Für die Bundesagentur für Arbeit gilt der Gruppierungsplan aus den Haushaltsvorschriften des Bundes, den sie nach § 77a SGB IV sinngemäß anwendet. Danach werden Einnahmen Titeln der Hauptgruppen 0 bis 3 zugeordnet, soweit sie nicht auf der Grundlage entsprechender Haushaltsvermerke bei den Ausgabekapiteln oder –titeln des Haushaltsplans (Hauptgruppen 4 bis 9) abzusetzen sind.
Rz. 4
Ansprüche entstehen vielfach unmittelbar durch Rechtsvorschriften, wie z. B. bei Beiträgen (§§ 22 ff.), staatlichen Zuschüssen oder Erstattungen anderer Versicherungsträger. Entstehen die Ansprüche nicht unmittelbar durch Rechtsvorschriften, sondern bedürfen sie zusätzlich eines aktiven Zutuns des Versicherungsträgers, so gehört es zur Rechtzeitigkeit der Einnahmeerhebung, durch das unverzügliche Ergreifen geeigneter Maßnahmen die Voraussetzungen für das Entstehen des Anspruchs sowie des frühestmöglichen und -zulässigen Beginns der Einzahlungsfrist zu schaffen (z. B. durch den Erlass eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides nach §§ 48, 50 SGB X, durch Erstattungsbescheide bei überzahlten Vorschüssen oder vorläufigen...