Rz. 57
Eine weitere notwendige Voraussetzung für die Versicherungspflicht einer Beschäftigung ist die Gewährung (Zahlung) eines Arbeitsentgeltes (§ 14 SGB IV; auf die Bedeutung als eigenständige zweite Tatbestandsvoraussetzung verweist auch die DRV; vgl. GRA der DRV zu § 1 SGB VI, Stand 28.11.2023, Anm. 2.1); also der freie wirtschaftliche Austausch (grundlegend BSG, Urteil v. 18.6.1997, 5 RJ 66/95) von Arbeit und Lohn. Mit diesem Merkmal unterscheidet sich die Prüfung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung von der Definition des Beschäftigungsverhältnisses nach § 7 Abs. 1 SGB IV; die Erzielung von Arbeitsentgelt ist für die Begründung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung konstitutiv, während die Entgeltlichkeit bei der Definition des Beschäftigungsverhältnisses nach § 7 Abs. 1 SGB IV kein Definitionsmerkmal ist (vgl. bereits oben Rz. 8). Der Arbeitsleistung muss also eine Gegenleistung gegenüberstehen. Diese kann ausnahmsweise auch in einer Sachleistung (Kost und Logis) bestehen. Bezüglich der Beschäftigung in einem Ghetto ist durch das BSG geklärt, dass Entgelt i. S. d. ZRBG jede Entlohnung ist, ob in Geld oder in Naturalien. Geringfügigkeitsgrenzen sind nicht zu prüfen (grundlegend geklärt durch BSG, Urteil v. 3.6.2009, B 5 R 26/08 R; zur Frage der Freiwilligkeit vgl. Rz. 18). Dabei ist für das Entstehen der Versicherungspflicht nicht der tatsächliche Zufluss des geschuldeten Lohnes an den Arbeitnehmer entscheidend, sondern der aus dem Beschäftigungsverhältnis resultierende Lohnanspruch (BSG, Urteil v. 26.10.1982, 12 RK 8/81; Vor, a. a. O.). Erfolgt eine Beschäftigung unentgeltlich (Ausnahme: zur Berufsausbildung), so fehlt es dem Grunde nach an einer versicherungspflichtigen Beschäftigung; es kann jedoch nicht eine Versicherungsfreiheit angenommen werden, da diese immer nur bei einer dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgrund besonderer Umstände eintreten kann. Die Höhe des Arbeitsentgeltes ist für die Frage der Versicherungspflicht dem Grunde nach unerheblich.
Rz. 58
Namentlich bei einem Verstoß gegen die guten Sitten i. S. d. § 138 Abs. 2 BGB in Anlehnung an § 291 StGB kann im Falle des Lohnwuchers die Höhe des Arbeitslohnes keinen Einfluss auf die Versicherungspflicht nehmen. Dies würde dem Schutzgedanken des insoweit schutzbedürftigen weisungsabhängigen Beschäftigten widersprechen.
Rz. 59
Bei einer geringfügigen Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV besteht seit dem 1.1.2013 grundsätzlich Versicherungspflicht. Der Gesetzgeber hat insoweit die Regelung über die Versicherungsfreiheit bei Beschäftigten nach § 8 SGB IV in § 5 Abs. 2 ab dem 1.1.2013 geändert und eine Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 nur noch bei kurzfristig Beschäftigten nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV vorgesehen. Allerdings steht dem geringfügig Beschäftigten das Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1b zur Seite; dies ist antragsbewehrt. Arbeitsentgelt aus dieser geringfügigen Beschäftigung darf daher ab dem 1.1.2019 regelmäßig 450,00 EUR im Monat nicht übersteigen. Lediglich in den Fällen, in denen ein so geringes Entgelt gezahlt wird, dass es zu der erbrachten Leistung in keinem Verhältnis steht, ist das Bestehen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung abzulehnen; dies ist jedoch eine Frage des Einzelfalls.
Rz. 60
Das Kriterium der Entgeltlichkeit hat daher insbesondere Bedeutung für die Abgrenzung zur familienhaften Mitarbeit, sog. Angehörigenbeschäftigung. Liegt daher nur ein sehr niedriges Entgelt vor, dann ist zu prüfen, ob familienhafte Mitarbeit, reine Gefälligkeit, mangelnde Freiwilligkeit oder mitgliedschaftliche Tätigkeit anzunehmen ist. Für die Beurteilung der Versicherungspflicht von mitarbeitenden Angehörigen gelten die gleichen Grundsätze, die auch allgemein für die versicherungsrechtliche Beurteilung einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gelten (vgl. GRA der DRV zu § 1 SGB VI, Stand 28.11.2023, Anm. 2.1.1 unter Bezugnahme auf die von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung erarbeitet Grundsätze). Zur Klärung und Schaffung von Rechtssicherheit für die Betroffenen dieser mitunter schwierigen Statusfeststellung bietet § 7a SGB I – seit dem 1.4.2022 das Verfahren zur Feststellung des Erwerbsstatus – ein Clearingverfahren. Zu den Einzelheiten wird auf die Kommentierung zu § 7 SGB IV verwiesen. Die Fiktion einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt erfolgt etwa bei der Freistellung von der Arbeitsleistung im Rahmen flexibler Arbeitszeitregelungen (§ 7 Abs. 1a SGB IV) oder bei unbezahltem Urlaub, Streik sowie Aussperrung (§ 7 Abs. 3 SGB IV).
Rz. 61
Durch das Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung v. 28.6.2022 (BGBl. I S. 969; vgl. auch BT-Drs. 20/1408 S. 10, 19) wurde die Verdienst-Obergrenze für Minijobber angehoben und auch der sog. Übergangsbereich angepasst. Der starre Betrag von 450,00 EUR in § 8 SGB IV wird d...