Rz. 91
Einen weiteren Pflichtversicherungstatbestand sieht Satz 1 Nr. 3 für die Personen vor, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen (vgl. auch GRA der DRV zu § 1 SGB VI, Stand: 28.11.2023, Anm. 4). Bereits aus dem Zweck der Regelung in Nr. 3 ist zu entnehmen, dass nur eine zielgerichtete Beschäftigung der Vorbereitung auf eine Erwerbstätigkeit gemeint sein kann. Nur gelegentliche, nicht zielgerichtete Tätigkeiten lösen hingegen keine Rentenversicherungspflicht aus. Die Befähigung besteht in der Vermittlung von Fähigkeiten und Kenntnissen zur Ausübung einer auf die Erzielung von Einkünften gerichteten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit, ist also nicht auf die Befähigung für eine versicherungspflichtige Beschäftigung beschränkt. Es wird auch nicht der erfolgreiche Abschluss der Maßnahme oder eine zumindest begründete Aussicht darauf gefordert. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut ("sollen"). Im Gegensatz zum früheren Recht wird in Satz 1 Nr. 3 nicht mehr gefordert, dass die Befähigung vor Eintritt in das Berufsleben stattfinden muss. Problematisch sind jedoch die Fallgestaltungen, in denen die Vorbereitung allein oder wesentlich durch die Erteilung eines theoretischen Unterrichts erfolgt. Soweit man allein den Wortlaut zugrunde legt, ist auch der alleinige theoretische Unterricht als Befähigungsmittel nicht ausgeschlossen. Andererseits liegt bei einer rein theoretischen Ausbildung (schulische Ausbildung) regelmäßig der Tatbestand einer Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 vor. Allein dieser Umstand sollte jedoch der Annahme einer Versicherungspflicht nicht entgegenstehen (so auch Gürtner, in: Kasseler Kommentar SGB VI, § 1 Rz. 22; a. A. Klattenhoff, in: Hauck/Haines, SGB VI, § 1 Rz. 45).
Rz. 92
Einrichtungen der Jugendhilfe sind Institutionen, die berufsvorbereitende Leistungen i. S. v. § 34 Satz 2 SGB VIII erbringen. Es ist unerheblich, ob öffentliche oder freie Träger agieren. Es gilt das duale System nach § 3 Abs. 2 SGB VIII, beide Träger stehen insoweit gleichrangig nebeneinander (zum Gleichrangigkeitsprinzip in der Wohlfahrtsorganisation vgl. BVerfG, Entscheidung v. 18.7.1967, 2 BvF 3/62). Ohne Bedeutung ist auch, aufgrund welcher Veranlassung die Leistung in Anspruch genommen wird. Damit kann es sich auch um Maßnahmen handeln, die auf familien- oder jugendgerichtlichen Eingriffen beruhen (§ 1666 BGB, § 12 JGG). Zu den Leistungen i. S. v. § 34 Satz 2 SGB VIII zählen alle, die den Jugendlichen (und auch den jungen Volljährigen, vgl. § 41 SGB VIII) auf ein selbstständiges Leben vorbereiten und in Fragen der Lebensführung, Ausbildung und Beschäftigung beraten. Nach Satz1 Nr. 3 werden auch behinderte Menschen, die in Berufsbildungswerkstätten oder ähnlichen Einrichtungen für Behinderte (vgl. § 248 SGB III) für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden, rentenversicherungspflichtig.
Rz. 93
Neben den Berufsbildungswerken kommen Einrichtungen in Frage, die
- nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung behindertengerechte Ausbildung gewährleisten,
- nach ihrer maßgeblichen Zielsetzung auf berufliche Rehabilitation angelegt sind
- und diese nach ihrem institutionellen Konzept durchführen wollen und bewältigen können (BSG, Urteil v. 17.3.1981, 7 RAr 25/80).
Rz. 94
Zu den Maßnahmen, die für behinderte Menschen in Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen durchgeführt werden, gehören – ähnlich wie bei den Einrichtungen der Jugendhilfe – die Berufsfindung und Arbeitserprobung, die Berufsvorbereitung und das Erlernen einzelner Fähigkeiten. Da der Personenkreis nach Satz 4 den Beschäftigten gleichgestellt wird, sind auf Beginn und Ende der Versicherungspflicht die entsprechenden Überlegungen zu den Arbeitnehmern sinngemäß zu übertragen.
Rz. 95
Mit der Erweiterung von Nr. 3 zum 30.12.2008 aufgrund der damaligen Einführung von § 38a SGB IX (jetzt § 55 SGB IX) soll die Förderung einer Unterstützten Beschäftigung geschaffen werden. Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Die Unterstützte Beschäftigung umfasst dabei eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung. Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der individuellen betrieblichen Qualifizierung sollen vergleichbar mit Teilnehmenden an anderen Maßnahmen der Berufsvorbereitung sozialversichert sein. Für den Bereich der Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung waren keine Änderungen erforderlich, da sie von den bestehenden Regelungen erfasst werden. Dies gilt für die Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI, da es sich bei der individuellen betrieblichen Qualifizierung um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben handelt. Hinsichtlich der Unfallversicherung besteht während der Zeit der individue...