0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch das Rentenreformgesetz 1992 v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) mit Wirkung zum 1.1.1992 in Kraft getreten. Bereits zuvor erfolgte eine Anpassung an die Begrifflichkeiten nach der deutschen Wiedervereinigung (RÜG v. 25.7.1991, BGBl. I S. 1606). Seitdem gilt § 110 unverändert.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift übernimmt im Wesentlichen die gesetzlichen Regelungen der §§ 1315 bis 1317, 1322 RVO, §§ 94 bis 96, 101 AVG. Sie regelt den Umfang der Leistungsgewährung an Personen, die sich außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzbuches, also im Ausland aufhalten. Die früheren Regelungen bei gewöhnlichem Aufenthalt in der DDR bzw. Berlin-Ost sind durch die Unterzeichnung des Staatsvertrages am 18.5.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR sowie der am 3.10.1990 vollzogenen Wiedervereinigung der deutschen Staaten überholt. Die Verfassungsmäßigkeit der beschränkenden Regelung bei sog. Auslandsrenten wird ganz überwiegend nicht angezweifelt (BVerfG, Urteil v. 20.3.1979, 1 BvR 111/74, 1 BvR 283/78; BSG, Urteil v. 12.4.2017, B 13 R 12/15 R; Klattenhoff, in: Hauck/Haines, SGB VI, § 110 Rz. 11). Lediglich vereinzelt wird kritisch angemerkt, dass die Argumente (Territorialprinzip, begrenzte finanzielle Leistungsfähigkeit der Versicherungsträger, Generationsvertrag) nicht mehr zeitgemäß für eine Exporteinschränkung seien (v. Maydell, in: GK-SGB VI, § 110 Rz. 11 ff.). Abs. 3 stellt den Vorrang über- und zwischenstaatlichen Rechts klar, der sich aber bereits aus der Normhierarchie ergibt.
2 Rechtspraxis
2.1 Berechtigte
Rz. 2
Die Vorschrift verwendet diesen Oberbegriff für Deutsche, Staatsangehörige eines Staates, in dem die EWG-VO 1408/71 anzuwenden ist, und "sonstige" Ausländer. Zu den Deutschen zählen die Personen, die in Art. 116 GG genannt sind. Dabei ist es unschädlich, wenn neben der deutschen eine weitere Staatsangehörigkeit besteht (doppelte Staatsbürgerschaft). Ausländer sind somit diejenigen, die nicht Deutsche i. S. d. Art. 116 GG sind, also auch Staatenlose. Soweit eine Unterscheidung erforderlich ist, spricht das Gesetz von "berechtigten Deutschen" oder aber "berechtigten Ausländern". Berechtigter kann der Träger des Rentenanspruchs dem Grunde nach wie der Träger des Zahlungsanspruchs sein. Grundsätzlich greifen Auslandsrentenregelungen jedoch nicht in das Stammrecht, sondern lediglich in die daraus entstehenden monatlichen Einzelzahlungsansprüche ein (BSG, Urteil v. 14.5.2003, B 4 RA 6/03 R).
2.2 Vorübergehender Auslandsaufenthalt
Rz. 3
Die Vorschrift bestimmt den Grundsatz, dass Berechtigte, die sich im Ausland aufhalten, Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. Dabei werden für den Personenkreis, der sich nur vorübergehend im Ausland aufhält, keine Einschränkungen gemacht. Bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt behalten die Berechtigten den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. Von einem vorübergehenden Aufenthalt kann man aber nur ausgehen, wenn zuvor ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland bestanden hat. Der gewöhnliche Aufenthalt (vgl. § 30 Abs. 3 SGB I) setzt aber weiter voraus, dass der Leistungsempfänger zum Aufenthalt berechtigt ist, d. h. eine Dauerhaftigkeit des Aufenthalts muss auch rechtlich möglich sein. Es ist entscheidend, dass die Berechtigten das Bundesgebiet nur für kürzere Zeit (BSG, Urteil v. 27.3.2020, B 10 EG 7/18 R zum "gewöhnlichen Aufenthalt" trotz zeitlicher Begrenzung) verlassen und an den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse (im Inland) zurückkehren wollen. Dafür ist es erforderlich, dass entweder Tatsachen dies objektiv erkennen lassen oder der Wille des Berechtigten erkennbar darauf gerichtet ist, den Auslandsaufenthalt zeitlich zu beschränken. Unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus dem bis zum 31.5.1979 geltenden Auslandsrentenrecht sollte eine Frist von bis zu einem Jahr als vorübergehend angesehen werden. Sollte sich bei rückschauender Betrachtung (vgl. BSG, Urteil v. 1.3.2018, B 8 SO 22/16 R) die prognostische Einschätzung als unzutreffend darstellen, so hat dies nur Auswirkungen für die Zukunft (BSG, Urteil v. 17.5.1989, 10 RKg 19/88). Auch bei einem nur vorübergehenden Aufenthalt im Ausland muss noch hinreichend Bezug zum Inland bestehen (BSG, Urteil v. 27.3.2020, B 10 EG 7/18 R). Der Begriff der Leistung umfasst nicht nur Renten, sondern alle Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Rz. 4
Zum Ausland zählt das Gebiet außerhalb der Bundesrepublik mit Ausnahme der Seeschiffe unter deutscher Flagge. Diese gelten als schwimmender Gebietsteil der Bundesrepublik und damit als Inland (BSGE 57 S. 96).
2.3 Gewöhnlicher Auslandsaufenthalt
Rz. 5
Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand (§ 30 Abs. 3 SGB I) dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (BSGE 27 S. 88). Es ist nicht entscheidend, ob dort auch ein Wohnsitz begründet worden ist. Vielmehr sind allein die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend. Deshalb ist in den Fällen, in denen die Verhältnisse auf mehrere Orte hinweisen, darauf abzustellen, a...