Rz. 91
Weiterhin darf der selbstständig Tätige im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sein. Der Begriff Auftraggeber ist im Renten- und auch im Sozialversicherungsrecht nicht definiert. Der Begriff ist eigenständig für das Rentenversicherungsrecht im Kontext der übrigen Versicherungspflichttatbestände des § 2 zu interpretieren, die ihrerseits eine Tätigkeit im Eigeninteresse voraussetzen (so i.E. BSG, Urteil v. 4.11.2009, B 12 R 3/08 R). Der Begriff ist daher weit auszulegen (so auch GRA der DRV zu § 2 SGB VI, Stand 7.12.2023, Anm. 12.4.1); auf den insoweit wesentlich engeren Begriff nach § 662 BGB ist daher nicht abzustellen.
2.11.2.1 Auf Dauer
Rz. 92
Auf Dauer für einen Auftraggeber tätig ist der Selbstständige, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses für denselben Auftraggeber erfolgt (vgl. BT-Drs. 14/1855 S. 6 f.). Dabei ist nach der Rechtsprechung das Merkmal auf Dauer erfüllt, wenn der Selbstständige mehr als ein Jahr für einen Auftraggeber beschäftigt ist (BSG, Urteil v. 4.11.2009, B 12 R 7/08 R, das bei einer 17-monatigen Tätigkeit das Merkmal angenommen hat; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 13.12.2012, L 21 R 387/12 WA, 27 Monate; vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 6.2.2020, L 7 R 3948/18; mit Anm. von Schäfer, jurisPR-ArbR 19/2020 Anm. 8). Dies betrifft nicht nur den Fall, dass der Betreffende rechtlich im Wesentlichen an einen Auftraggeber gebunden ist, sondern auch den Fall, dass er tatsächlich im Wesentlichen von einem einzigen Auftraggeber abhängig ist.
2.11.2.2 Im Wesentlichen für einen Auftraggeber
Rz. 93
Die Voraussetzung, dass der selbstständig Tätige im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sein darf, umfasst nach dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen nicht nur den Fall, dass der Betreffende rechtlich (vertraglich) im Wesentlichen an einen Auftraggeber gebunden ist, sondern auch den Fall, dass er tatsächlich (wirtschaftlich) im Wesentlichen von einem einzigen Auftraggeber abhängig ist (so ausdrücklich BT-Drs. 14/45 S. 20; vgl. hierzu stellvertretend auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 6.2.2020, L 7 R 3948/18, mit Anm. von Schäfer, jurisPR-ArbR 19/2020 Anm. 8 und von LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.7.2020, L 7 R 2030/19).
2.11.2.2.1 Wirtschaftliche Betrachtung
Rz. 94
Das Merkmal - im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig – ist wirtschaftlich für den denjenigen zu bejahen, wer nur für einen bzw. daneben nur in unbedeutendem Maße für andere Auftraggeber tätig ist (BT-Drs. 14/151 S. 37). Das ist der Fall, wenn 5/6 der Einnahmen von einem Auftraggeber stammen. Als Einnahmen gilt das Arbeitseinkommen i. S. v. § 15 SGB IV (BSG, Urteil v. 4.11.2009, B 12 R 7/08 R).
2.11.2.2.2 Rechtliche Betrachtung
Rz. 95
Soweit das Merkmal – im Wesentlichen für einen Auftraggeber tätig – rechtlich beurteilt wird, sind die Vertragsbeziehungen des Betroffenen maßgebend. Die Auslegung des Merkmals "nur für einen Auftraggeber" in diesem Sinne orientiert sich dabei am Schutzzweck der Norm, der eine möglichst umfassenden Schutz dieser arbeitnehmerähnlichen selbstständigen Tätigkeiten sicherstellen soll.
Rz. 96
Deshalb ist ein Selbstständiger selbst dann nur für "einen Auftraggeber" tätig, wenn verbundene Unternehmen, zu denen er vertragliche Beziehungen unterhält, einen Konzern i. S. d. § 18 AktG bilden (BSG, Urteil v. 9.11.2011, B 12 R 1/10 R). Deshalb ist ein selbstständiger Versicherungsvermittler selbst dann für einen Auftraggeber rechtlich tätig, wenn der Versicherungsvermittler Vertragsbeziehungen sowohl zur Vertriebsgesellschaft als auch zur Versicherungsgesellschaft unterhält (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.7.2020, L 7 R 2030/19, Rz. 55, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf BSG, Urteil v. 9.11.2011, B 12 R 1/10 R). Auch selbstständig tätige geschäftsführende Gesellschafter einer juristischen Person können nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sein. Darüber hinaus gilt, dass bei geschäftsführenden Gesellschaftern von Gesellschaften, insbesondere Kapitalgesellschaften, die als selbstständig Tätige gelten (z. B. Alleingesellschafter bzw. Mehrheitsgesellschafter), für die Beurteilung etwaiger Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 darauf abzustellen ist, ob die Gesellschaft i. S. v. § 2 Satz 1 Nr. 9b nur einen Auftraggeber hat. Abzustellen ist daher insbesondere bei selbstständig tätigen Gesellschafter-Geschäftsführern von Kapitalgesellschaften – dem Sinn und Zweck der Versicherungspflichtregelung folgend – auf die (Außen-)Verhältnisse der Gesellschaft, nicht etwa auf das Innenverhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft. Im Ergebnis bedeutet dies, dass als Auftraggeber des Gesellschafters nicht die Gesellschaft selbst gelten kann, sondern nur die Auftraggeber, für die die Gesellschaft im Außenverhältnis tätig wird. Bei Gesellschaftern gelten daher nach Nr. 9, lit. b, 2. HS. als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft. Diese Klarstellung erfolgt vor dem Hintergrund einer insoweit abweichenden Entscheidung des BSG v. 24.11.2005 (B 12 RA 1/04 R) zur Versicherungspflicht eines "Alleingesellschafte...