2.1 Leistungsfälle nach dem 31.12.1972 (Abs. 1)
Rz. 2
Nach Abs. 1 kommen die Regelungen über die vorzeitige Wartezeiterfüllung gemäß § 53 Abs. 1 und 2 nur zur Anwendung, wenn der jeweilige Leistungsfall der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem 31.12.1972 eingetreten ist. Das bis zum 31.12.1972 geltende Rentenrecht sah gemäß § 1252 RVO, § 29 AVG und § 52 RKG lediglich eine Möglichkeit der vorzeitigen Wartezeiterfüllung (damals Wartezeitfiktion) vor, und zwar diejenige, die sich seit dem 1.1.1992 aus § 245 Abs. 2 ergibt. Seit dem Inkrafttreten des SGB VI am 1.1.1992 wird die bisherige Wartezeitfiktion als "vorzeitige Wartezeiterfüllung" bezeichnet. Durch das RRG 1972 v. 16.10.1972 (BGBl. I S. 1965) wurde § 1252 RVO, § 29 AVG und § 52 RKG mit Wirkung zum 1.1.1973 jeweils ein Abs. 2 angefügt. Danach galt die Wartezeitfiktion nunmehr auch für Versicherte, die vor Ablauf von 6 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung infolge eines Unfalls erwerbsunfähig geworden oder gestorben sind und in den dem Leistungsfall vorausgegangenen 24 Kalendermonaten mindestens für 6 Kalendermonate Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nachweisen konnten. Eine vergleichbare Regelung enthält seit dem 1.1.1992 § 245 Abs. 3. Die Stichtagsregelung, nach der eine vorzeitige Wartezeiterfüllung bei einem Unfall innerhalb von 6 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung nur für Leistungsfälle gilt, die nach dem 31.12.1972 eingetreten sind, ist auch heute noch in § 245 Abs. 3 enthalten. In Anlehnung an § 245 Abs. 3 sollen die Regelungen über die vorzeitige Wartezeiterfüllung nach § 53 Abs. 1 und Abs. 2 auch nur zur Anwendung kommen, wenn der Leistungsfall nach dem 31.12.1972 eingetreten ist (§ 245 Abs. 1); davon kann wegen Zeitablaufs bei den in der Verwaltungspraxis aktuell zu bearbeitenden Leistungsfällen i. d. R. ausgegangen werden.
Rz. 3
Durch § 245 Abs. 1 wird außerdem geregelt, dass die in § 53 Abs. 1 und Abs. 2 enthaltenen Möglichkeiten der vorzeitigen Wartezeiterfüllung auch greifen, wenn der jeweilige Leistungsfall vor dem Inkrafttreten des SGB VI am 1.1.1992 eingetreten ist (BT-Drs. 11/5530 S. 54). Dies ist insbesondere für Versicherte von Bedeutung, die vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit innerhalb von 6 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung nicht durch einen Unfall, sondern infolge einer schicksalsbedingten Erkrankung erwerbsunfähig geworden oder gestorben sind und nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht allein deshalb keinen Rentenanspruch hatten. Eine Rente, deren Voraussetzungen erstmals aufgrund der in § 53 Abs. 1 und Abs. 2 enthaltenen Regelungen über die vorzeitige Wartezeiterfüllung vorliegen, kann allerdings frühestens am 1.1.1992 beginnen.
2.2 Vorzeitige Wartezeiterfüllung nach Abs. 2
Rz. 4
Die vorzeitige Wartezeiterfüllung nach Abs. 2 setzt u. a. eine Versicherteneigenschaft voraus. Die Versicherteneigenschaft liegt gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 vor, wenn für einen Versicherten zu irgendeinem Zeitpunkt vor Eintritt des Leistungsfalls mindestens ein Pflichtbeitrag oder ein freiwilliger Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden ist oder Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (z. B. fiktive Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung für Zeiten vor dem 1.6.1999). Darüber hinaus erweitert § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 den Kreis der "Versicherten" um Personen, die nachversichert worden sind oder für die aufgrund eines Versorgungsausgleichs oder eines Rentensplittings Rentenanwartschaften übertragen oder begründet worden sind, wenn der Nachversicherungszeitraum, die Ehezeit (§ 3 Abs. 1 VersAusglG, bis 31.8.2009 § 1587 Abs. 2 BGB) oder die Splittingszeit (§ 120 a Abs. 6) zumindest teilweise vor dem Leistungsfall liegen.
Die Begründung der Versicherteneigenschaft durch eine Beitragszahlung erfordert grundsätzlich, dass der Beitrag bereits im Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls i. S. d. § 197 Abs. 1 bis 4 wirksam gezahlt worden ist. Abweichend hiervon gelten Pflichtbeiträge für abhängig Beschäftigte bereits zu dem Zeitpunkt als gezahlt, in dem die im Gesetz genannten Voraussetzungen für das Eintreten der Versicherungspflicht vorliegen. Auf den tatsächlichen Tag der Beitragsabführung kommt es in diesen Fällen nicht an. Hier gilt vielmehr das sog. "Für-Prinzip", mit der Folge, dass diese Beiträge bereits zu dem Zeitpunkt als gezahlt gelten, für den sie gezahlt worden sind. Durch die Zahlung von Pflichtbeiträgen für abhängig Beschäftigte nach Eintritt eines Leistungsfalls für Zeiten vor dem Leistungsfall kann somit eine Versicherteneigenschaft i. S. d. § 245 Abs. 2 begründet werden. Bei freiwilligen Beiträgen hingegen gilt das sog. "In-Prinzip" mit der Folge, dass die tatsächliche Beitragszahlung unter Berücksichtigung der Regelungen des § 6 RV- BZV bereits vor dem Eintritt des Leistungsfalls erfolgt sein muss, um die vorzeitige Wartezeiterfüllung nach § 245 Abs. 2 bewirken zu können. Durch eine freiwillige Beitragszahlung nach Eintritt eines Leistungsfalls für Zeiten vor dem Leistungsfall kann somit für den aktuellen Leistungsfall keine Versich...