0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 90 wurde mit Wirkung zum 1.1.1992 durch Art. 1 RRG 1992 v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) eingeführt und hat § 1291 Abs. 2 und 3 sowie § 68 Abs. 2 AVG und § 83 Abs. 3 RKG abgelöst. Rückwirkend zum 1.1.1992 wurde Abs. 2 Satz 3 durch das Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) v. 25.7.1991 (BGBl. I S. 1606) zur Angleichung an die Bestimmung des § 99 Abs. 2 (vgl. BT-Drs. 197/91 S. 118) redaktionell geändert. Mit Wirkung zum 1.1.2002 wurde Abs. 2 Satz 2 und 3 durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz – AvmEG) v. 21.3.2001 (BGBl. I S. 403) und mit Wirkung zum 1.1.2005 Abs. 3 durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts v. 15.12 2004 (BGBl. I S. 3396) eingefügt.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift normiert die Subsidiarität der Witwen-/Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten (§ 46 Abs. 3, § 243 Abs. 4) gegenüber den in Abs. 1 aufgeführten Ansprüchen des überlebenden Ehegatten für denselben Zeitraum, die aus der letzten Ehe resultieren: Ansprüche auf Witwen-/Witwerrenten, auf Versorgung, Unterhalt oder auf sonstige Renten nach dem letzten Ehegatten sind auf die Witwen-/Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten anzurechnen.
Sinn und Zweck der Norm bestehen darin, eine Überversorgung durch auf 2 Eheschließungen beruhenden Ansprüche auszuschließen. Der Anspruch auf die wiederaufgelebte Rente (d.h. der Rente nach dem vorletzten Ehegatten, auf die durch die erneute Heirat kein Anspruch mehr bestand) soll lediglich eine nach Auflösung der 2. Ehe möglicherweise entstandene Versorgungslücke schließen und eine Versorgung aus erster Ehe nur insoweit wiedereinsetzen lassen, als die Versorgung aus der 2. Ehe geringer ist. Die Witwe/der Witwer soll nach Auflösung der 2. Ehe finanziell zwar nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt sein als vor der Wiederverheiratung (vgl. BSGE 42 S. 110, 111). Eine entsprechende Regelung trifft Abs. 2 für den Fall, dass eine Rentenabfindung wegen Wiederheirat gewährt wurde (§ 107) und diese Ehe vor Ablauf von 24 Kalendermonaten aufgelöst wurde.
Abs. 3 regelt, dass die in Abs. 1 und 2 normierten Anrechnungsgrundsätze auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften i.S.d. Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft v. 16.2.2001 (BGBl. I S. 266) Anwendung finden.
2 Rechtspraxis
2.1 Überblick
Rz. 2
Abs. 1 bestimmt, dass auf die wiederaufgelebte Witwen-/Witwerrente ("nach dem vorletzten Ehegatten") Ansprüche auf Hinterbliebenenrente, auf Versorgung und auf Unterhalt sowie auf sonstige Renten (sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Natur), die ihren Grund in der aufgelösten 2. Ehe ("nach dem letzten Ehegatten") haben, angerechnet werden. Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, dass der Anspruch auf die wiederaufgelebte Rente nachrangigen Charakter besitzt und nur insoweit neu entstehen soll, als sich nach Auflösung der letzten Ehe nunmehr eine Versorgungslücke für den überlebenden Ehegatten ergibt. Die Anrechnung erfolgt dabei gemäß Abs. 1 HS 2 vor Anwendung der Vorschriften über die Einkommensanrechnung (§ 97 i.V.m. §§ 18a bis 18e SGB IV). Ohne diese Regelung würde die auf die Renten nach § 46 Abs. 3 und § 243 Abs. 4 vorzunehmende Einkommensanrechnung wieder aufgehoben. Unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen wird mit einem Teil einer gezahlten Rentenabfindung gegen den Anspruch auf wiederaufgelebte Hinterbliebenenrente aufgerechnet.
2.2 Anrechnung bestimmter Ansprüche aus der letzten Ehe auf die Witwen-/Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten (Abs. 1)
2.2.1 Witwen-/Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten
Rz. 3
Die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf wiederaufgelebte Witwen-/Witwerrente besteht, sind in § 46 Abs. 3 geregelt. Ferner kann sich ein solcher Anspruch auf wiederaufgelebte (Geschiedenen-)Witwenrente aus § 243 Abs. 4 ergeben. Wegen der Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen wird auf die Erläuterungen zu diesen Vorschriften verwiesen.
2.2.2 Ansprüche nach dem letzten Ehegatten
Rz. 4
§ 90 setzt voraus, dass die letzte Ehe aufgelöst, d.h. durch Tod, Scheidung oder Aufhebung nach den §§ 1313 ff. BGB beendet worden ist (vgl. Hauck/Haines, SGB VI Kommentar, § 90 Rz. 3). Die auf die wiederaufgelebte Hinterbliebenenrente anzurechnenden Ansprüche müssen ihren Rechtsgrund ("ihre Wurzel") in persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen des 2. Ehepartners wie etwa – wenn Ansprüche nach seinem Tode angerechnet werden – in seinen früheren Beitragsleistungen oder seiner früheren beruflichen Tätigkeit haben. Hingegen dürfen Ansprüche, die auf eigenen Geldleistungen der Witwe/des Witwers beruhen, selbst dann nicht angerechnet werden, wenn sie aus Anlass des Todes des 2. Ehepartners entstehen oder fällig werden (vgl. BSGE 39 S. 101, 103 = SozR 2200 § 1291 Nr. 3 S. 11).
Nicht erforderlich ist, dass die Ansprüche erst infolge der Auflösung der Ehe entstanden sind oder der neue Versorgungsanspruch, Unterhaltsanspruch oder Rentenanspruch seine Rechtsgrundlage im Recht der Bundesrepublik Deutschland hat. So ist z.B. die einer Witwe aus der britischen Rentenversicherung gewährte Rente ("widows retirement pension") auf die wiederaufgelebte Witwenrente anzurechnen; u...