0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 112 i. d. F. des SGB X v. 4.11.1982 (BGBl. I S. 1450) ist am 1.7.1983 in Kraft getreten. Da das SGB X im Beitrittsgebiet zum 1.1.1991 in Kraft trat, gelten die Regelungen über die (Rück-)Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander (§§ 102ff.) dort erst für Leistungszeiträume ab 1.1.1991.

Im Zusammenhang mit der Neufassung des SGB X v. 19.1.2001 (BGBl. I S. 130) ist die Vorschrift neu bekannt gemacht worden.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

In dieser Vorschrift ist festgelegt, dass Leistungen eines Leistungsträgers, der irrtümlich von einer Erstattungspflicht ausging, von dem vermeintlich erstattungsberechtigten Leistungsträger zurückzuerstatten sind. Der Leistungsträger, der zu Unrecht Erstattungsleistungen erbracht hat, hat einen Anspruch auf Rückerstattung seiner Leistungen. Die Regelung entspricht einem allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach zu Unrecht erfolgte Vermögensverschiebungen wieder rückgängig zu machen sind.

 

Rz. 3

§ 112 gilt für die Rückabwicklung von Erstattungsansprüchen nach §§ 102 bis 105 sowie gemäß § 37 SGB I auch für die Rückabwicklung von Erstattungsansprüchen zwischen Leistungsträgern nach den Vorschriften der übrigen Bücher des SGB (z. B. § 335 SGB III), soweit dort nichts Abweichendes bestimmt ist. Sie ist, da sie einem allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz entspricht, auch bei anderen Erstattungsansprüchen entsprechend anwendbar. Da das SGB IX keine Regelung über die Rückabwicklung von Erstattungen nach § 14 Abs. 4 SGB IX enthält, kann diese daher ebenfalls nur nach § 112 erfolgen.

2 Rechtspraxis

2.1 Voraussetzungen des Rückerstattungsanspruchs

 

Rz. 4

§ 112 setzt voraus, dass eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Ob dies durch schuldhaftes Handeln eines Leistungsträgers verursacht worden ist, spielt für den Rückerstattungsanspruch keine Rolle.

Eine Erstattung ist zu Unrecht erfolgt, wenn der Erstattungsanspruch des berechtigten Leistungsträgers von Anfang an nicht oder nicht in voller Höhe bestanden hat oder nachträglich weggefallen ist. Hierfür kommen insbesondere folgende Ursachen in Betracht:

  • Eine der Voraussetzungen der §§ 102 bis 105 hat nicht vorgelegen.
  • Der Erstattungsanspruch bestand zwar dem Grunde nach, aber nur in geringerer Höhe.
  • Die Rangfolge des § 106 wurde nicht beachtet.
  • Der Erstattungsanspruch war nach § 111 ausgeschlossen.

Hat der erstattungspflichtige Leistungsträger den Erstattungsanspruch befriedigt, obwohl dieser nach § 113 verjährt war, ist die Erstattung insoweit nicht zu Unrecht erfolgt und es besteht kein Anspruch auf Rückerstattung. Entsprechendes gilt, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Erstattungsanspruch die Bagatellgrenze gemäß § 110 nicht erreicht hat.

2.2 Keine Rückerstattung bei bestandskräftigem Bescheid

 

Rz. 5

Stellt sich in den Fällen der §§ 102 bis 104 heraus, dass der erstattungsberechtigte Leistungsträger zu Unrecht vorgeleistet hat, so berührt dies den Bestand des Erstattungsanspruchs nur dann, wenn der fehlerhaften Leistung nachträglich (z. B. durch Rücknahme des Bewilligungsbescheides gemäß § 45) die Rechtsgrundlage entzogen wird. Anderenfalls beruht die Leistung zwar auf einem rechtswidrigen, aber dennoch wirksamen Verwaltungsakt mit der Folge, dass die Leistung nicht zurückgefordert werden kann und der Erstattungsanspruch bestehen bleibt.

Entsprechendes gilt, wenn sich nach Befriedigung eines Erstattungsan­spruchs herausstellt, dass der vorrangig verpflichtete Leistungsträger, also der zur Erstattung verpflichtete Leistungsträger, seine Leistungen ganz oder teilweise zu Unrecht erbracht hat, eine Rücknahme des Bescheides mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 45 aber nicht mehr möglich ist. Stellt sich also nachträglich heraus, dass eine Rente zu Unrecht bewilligt worden ist oder zu hoch berechnet wurde und kann der Rentenbescheid nach § 45 gegenüber dem Leistungsberechtigten mit Wirkung für die Vergangenheit nicht mehr zurückgenommen werden, besteht für den Rentenversicherungsträger auch kein Rückerstattungsanspruch.

Maßgebend für das Bestehen eines Erstattungsanspruchs ist somit der Bewilligungsbescheid, auch wenn er nicht der materiellen Rechtslage entspricht (BSG, Urteil v. 23.6.1993, 9/9a RV 35/91, und Urteil v. 1.4.1993, 1 RK 10/92).

2.3 Besonderheiten bei einem Ausschluss des Erstattungsanspruchs ­gemäß § 111

 

Rz. 6

Durch das 4. Euro-Einführungsgesetz v. 21.12.2000 ist ab 1.1.2001 mit der Neufassung des § 111 Satz 2 klargestellt worden, dass die Ausschlussfrist für einen Erstattungsanspruch frühestens mit dem Zeitpunkt der Kenntnis des erstattungsberechtigten Leistungsträgers über die Leistungspflicht des erstattungspflichtigen Leistungsträgers beginnt.

Nach der mit Wirkung ab 1.1.2001 neu in das Gesetz eingefügten Übergangsregelung des § 120 Abs. 3 ist ein Rückerstattungsanspruchs nach § 112 in den am 1.1.2001 bereits abgeschlossenen Fällen ausgeschlossen, wenn die Erstattung nach § 111 Satz 2 i. d. F. ab 1.1.2001 zu Recht erfolgt ist.

Wird ein Rückerstattungsanspruch unter Hinweis auf das BSG-Urteil v. 11.11.2003 (B 2 U 15/03 R) geltend gemacht, ist dieser ebenfalls abzulehnen.

2.4 Umfang des Rückerstattungsanspruchs

 

Rz. 7

Der Rückerstattungsanspruch beschränkt sich auf die Beträge, die tatsächlich zu Unrecht erstattet wurden, d. h., besteht der Rückerstattun...

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