Rz. 8
Die in Abs. 1 aufgeführten Voraussetzungen sind eine abschließende Aufzählung der Gründe für einen Widerruf und Ausnahme von der Unwiderruflichkeit. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist, da gesetzlich zugelassene Widerrufe selten und im VA zugelassene Widerrufsvorbehalte nur in wenigen Fällen zulässig sind (vgl. Komm. zu § 32), in der Praxis gering. Insbesondere kann, anders als nach § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG, der Widerruf nicht auf den Grund der Vermeidung von Nachteilen für das Gemeinwohl gestützt werden. Weitgehend Einigkeit besteht aber darüber, dass eine Nebenbestimmung jedenfalls dann in Betracht kommt, wenn zwar wesentliche, aber noch nicht alle tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind (BSG, Urteil v. 2.4.2014, B 6 KA 15/13 R). Die Nebenbestimmung ist aber darauf beschränkt, die Erfüllung geringfügiger tatbestandlicher Voraussetzungen eines VA sicherzustellen; hierzu gehört etwa die Bewilligung einer Rente verbunden mit der Verpflichtung, eine Lebensbescheinigung vorzulegen oder die Verpflichtung, die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit anzuzeigen (BSG, a. a. O., mw.N.).
Rz. 9
Die Widerrufbarkeit auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit bedeutet nicht, dass § 47 erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit anwendbar wäre, sondern dass der Widerruf nur unter den genannten gesetzlichen Voraussetzungen sowohl vor als auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit möglich ist.
2.2.1 Widerrufsvorbehalt (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 10
Ein in Rechtsvorschriften ausdrücklich zugelassener Widerrufsvorbehalt, wie er in Nr. 1 genannt und vorausgesetzt wird, findet sich für typische Sozialleistungen in den materiellen Vorschriften der Sozialgesetzbücher nicht und zwar auch nicht in § 8 Abs. 2 S. BEEG (BSG, Urteil v. 21.2.2013, B 10 EG 12/12 R; a. A. Gmati, in: jurisPK-SGB X, § 47 Rz. 30.1). Hiernach wird Elterngeld in den Fällen, in denen die berechtigte Person nach ihren Angaben voraussichtlich kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit haben wird, unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall gezahlt, dass sie entgegen ihren Angaben doch Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat.
Ob der Vorbehalt für spätere Gesetzesänderungen bei Rentenauskünften nach § 109 Abs. 2 SGB VI einen solchen Widerrufsvorbehalt darstellt, erscheint eher zweifelhaft, da eine solche Auskunft noch keinen VA über eine Rentenbewilligung darstellt und auch die Feststellung von einzelnen Berechnungselementen der Rente nicht in Form Verbindlichkeit beanspruchender VA zu ergehen hat. Ansonsten wird eher die Unwiderruflichkeit normiert (vgl. z. B. § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB V, § 4 Abs. 2 Satz 2, § 59 Abs. 1 Satz 1 KVLG 1989 für Befreiungsbescheide), soweit nicht die Wirkung des VA in diesen Fällen ohnehin auf bestimmte Tatbestände beschränkt ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in der Krankenversicherung, § 6 Abs. 5 SGB VI für Befreiungen in der Rentenversicherung), wodurch sich der VA wegen Wegfalls der Voraussetzungen dann erledigt, ohne dass es noch der förmlichen Aufhebung oder des Widerrufs für die Zukunft bedarf. Einen eigenständigen Widerruf auf Antrag regeln z. B. Art. 3 KOV-AnpG von 1989, § 59 Abs. 1 Satz 2 KVLG 1989 und § 6 Abs. 2 KSVG bei früherer Befreiung von Versicherungspflichten.
Rz. 11
Im Zusammenhang mit Zulassungen zur Teilnahme an der ärztlichen Versorgung enthalten z. B. § 124 Abs. 6, § 126 Abs. 4 SGB V, § 44 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII, als Entzug in § 95 Abs. 6 SGB V oder hinsichtlich des Meldeverfahrens § 8 Abs. 3 2. DÜVO Widerrufsmöglichkeiten. Erfolgt die Zulassung zu vertragsärztlichen Leistungen dagegen z. B. im Delegationsverfahren oder ist ein Widerruf nicht möglich, kann die Rücknahme der Zulassung lediglich nach § 48 erfolgen, wenn die Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sind (vgl. BSG, Urteil v. 12.5.1993, 6 RKa 8/92, NZS 1993 S. 509).
Rz. 12
Ein in Rechtsvorschriften zugelassener Widerrufsvorbehalt kann nicht schon darin gesehen werden, dass die materiellen Vorschriften die Ansprüche von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen und/oder dort der Wegfall des Anspruchs bei bestimmten Tatbeständen geregelt wird. Hierbei handelt es sich um materielle Anspruchsvoraussetzungen, die über die Frage der ursprünglichen und weiter bestehenden Rechtmäßigkeit des VA im Rahmen von §§ 45, 48 entscheiden.
Rz. 13
Die Zulässigkeit eines von der Behörde im Bescheid verfügten Widerrufsvorbehalts selbst richtet sich nach § 32. Bei gebundenen Entscheidungen darf ein Widerrufsvorbehalt dem Bescheid nur beigefügt werden, wenn er wiederum ausdrücklich gesetzlich zugelassen ist oder wenn dadurch sichergestellt werden soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ansprüche erfüllt werden (§ 32 Abs. 1). Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs können nicht zugleich Gegenstand eines Widerrufsvorbehalts sein, sonst könnten die Vertrauensschutzregelungen der §§ 45, 48 umgangen werden (str., vgl. BSG, Urteil v. 2.4.2014, B 6 KA 15/13 R zum Meinungsstand). Ein Widerrufsvorbehalt/eine Bedingung zur Sicherstellung der auch künftigen gesetzlichen Voraussetzungen des VA mit Dauerwirkung wäre mit den Aufhebun...