Rz. 5
Dauerwirkung liegt dann vor, "wenn sich der VA nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand von ihm abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert" (BT-Drs. 8/2034 S. 34).
Rz. 6
VA mit Dauerwirkung sind daher solche Entscheidungen einer Behörde, die selbst eine Regelung für die Zukunft – also die Zeit nach Erlass des Bescheides – treffen, treffen wollen und treffen können (Regelungskompetenz). Wesentliches Element ist die Zuerkennung eines sich regelmäßig in der Zukunft wiederholenden Anspruchs oder sind künftige ständige andere (Rechts-)Folgen aus dem VA. Nur bei solchen Entscheidungen kann sich eine relevante Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse ergeben, die die Anpassung dieses Bescheides an geänderte Verhältnisse notwendig macht. Als Faustregel und Kontrollüberlegung kann die Frage dienen, ob sich aufgrund der andauernden Rechtswirkungen des VA bei Änderung der Rahmenbedingungen ein Änderungsbedürfnis ergeben kann, denn immer dann liegt ein VA mit Dauerwirkung vor.
Rz. 7
An derartigen in die Zukunft reichenden (Rechts-)Wirkungen fehlt es bei Entscheidungen, die lediglich einen einzelnen Anspruch regeln, bereits abgeschlossene, auch längere Zeiträume betreffen (z. B. Renten für vergangene Zeiten) und Entscheidungen, die einen vom Erlass des Bescheides aus gesehen zukünftigen dauernden Anspruch verneinen (Rentenablehnung) oder derzeit verneinen, weil z. B. die rechtlichen Voraussetzungen dafür noch nicht vorliegen (vgl. BSG, Urteil v. 30.1.1985, 1 RJ 2/84, SozR 1300 § 44 Nr. 15 = BSGE 58 S. 27). Eine solche Entscheidung verneint gerade die Voraussetzungen für eine derzeitige in die Zukunft gerichtete mögliche Regelung gegenüber dem Betroffenen und enthält nicht die auf Dauer gerichtete negative Regelung, dass auch künftig ein solcher Anspruch nicht bestehen oder entstehen werde. Der VA bleibt in seinem rechtlichen Bestand und seinem Verfügungssatz zwar für sich betrachtet rechtsbeständig, entfaltet jedoch keine weiteren rechtlichen Wirkungen. Insbesondere ist der Betroffene nicht gehindert, einen neuen Antrag zu stellen, ohne dass zuvor der ablehnende VA aufgehoben werden müsste.
Rz. 8
Hinzukommen muss für die Annahme der Dauerwirkung, dass gerade der Bescheid selbst die Rechtswirkungen auch für die Zukunft erzeugt. Daran soll es nach einer bestrittenen Auffassung fehlen, wenn ein Berechtigter von Gestaltungsrechten Gebrauch macht und die zuständige Behörde darüber nur noch förmlich zu entscheiden hat. Hiernach sollen etwa Bescheide über die Befreiung von einer Versicherungspflicht (z. B. § 8 SGB V, § 6 SGB VI, § 22 SGB XI) keine VA mit Dauerwirkung sein (so auch noch die Kommentierung in der Vorauflage). Das BSG sieht diese Bescheide jedoch als VA mit Dauerwirkung an (Urteil v. 30.4.1997, 12 RK 34/96, SozR 3-2940 § 7 Nr. 4 = BSGE 80 S. 215 = NJW 1997 S. 3333, ihm ist das Schrifttum weitgehend gefolgt). VA mit Dauerwirkung sind auch Bescheide über die Anerkennung von Beitrags-, Ersatz- und Ausfallzeiten (BSG, Urteil v. 21.2.1985, 11 RA 2/84, SozR 1300 § 45 Nr. 15, str.), die Feststellung eines Arbeitsunfalles nach dem SGB VII, die Bewilligung einer Reha-Maßnahme in Gestalt einer beruflichen Umschulung (BSG, Urteil v. 22.9.1981, 1 RJ 112/80, SozR 1300 § 48 Nr. 1), auch Bescheide über den Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung (BSG, Urteil v. 9.6.1988, 4 RA 9/88, SozR 1300 § 48 Nr. 47). Auch die Entscheidung über den Kostenabzug nach § 42 S. 2 SGB II ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (Sächs. LSG, Urteil v. 18.7.2013, L 3 AS 770/13).
Kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist ein Bescheid, mit dem der Antrag des Leistungsbeziehers auf höhere Leistungen wegen behaupteter Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen abgelehnt wird (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 12.7.2012, L 15 AS 184/10). Er erledigt sich durch einen später erteilten Bescheid, der ebenfalls eine Änderung nach § 48 zum Gegenstand hat und denselben Zeitraum umfasst (LSG Niedersachsen-Bremen, a. a. O.).
Rz. 9
Auch förmliche Bescheide über die Versicherungspflicht sind als VA mit Dauerwirkung anzusehen (vgl. BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8, noch zur fehlenden wechselseitigen Bindungswirkung derartiger Bescheide nach altem Recht; vgl. nunmehr aber § 336 SGB III). Solche Bescheide verpflichten für die Zukunft zu laufender Beitragszahlung, so dass ihnen eine Regelungswirkung für die Zukunft zukommt (anders noch die Vorkommentierung, wie hier aber Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, § 45 Rz. 64). Zwar sieht § 8 Abs. 2 KSVG abweichend von anderen Vorschriften (§ 5 SGB V, §§ 1 bis 4 SGB VI) ausdrücklich die Anwendung des § 48 bei und ab Änderung der Verhältnisse für die Versicherungspflicht bei Künstlern vor, weil darüber ausdrücklich ein feststellender VA zu ergehen hat. Hieraus kann jedoch nicht der zwingende Umkehrschluss gezogen w...