Rz. 3

Die Einräumung der Möglichkeit zur Rücknahme der Klage hängt mit der im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Dispositionsmaxime zusammen. Es steht den Beteiligten frei, ob sie gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen möchten. Die Gerichte werden nicht von Amts wegen tätig. Der ebenfalls durch das 6. SGGÄndG aufgehobene § 53 sah ausdrücklich vor, dass Rechtsschutz auf Klage gewährt wird. Dementsprechend steht es den Beteiligten auch frei, das Verfahren vor Urteilsverkündung anderweitig zu beenden. Das SGG sieht verschiedene Möglichkeiten zur Beendigung des Verfahrens ohne Urteil vor (§ 101 Abs. 1 und 2, § 102). Darüber hinaus kommt noch eine beidseitige Erledigungserklärung in Betracht (§ 202 SGG i. V. m. § 91a ZPO). Für gerichtskostenpflichtige Verfahren nach § 197a ergibt sich das Institut der übereinstimmenden Erledigungserklärung jedenfalls über die Regelungen des § 197a Abs. 1 Satz 1 HS 3 SGG i. V. m. § 161 Abs. 2 VwGO (LSG Berlin, Beschluss v. 28.4.2004, L 6 B 44/03 AL ER, SGb 2005 S. 55). Eine Abgrenzung zwischen der einseitigen Erledigungserklärung und der Rücknahmeerklärung ist im Gegensatz zum Zivilprozess in den kostenprivilegierten Verfahren nach § 183 rechtlich unerheblich. Die Erledigterklärung kann daher zumindest in diesen Verfahren regelmäßig als Rücknahmeerklärung i. S. d. § 102 ausgelegt werden. Das gilt nach dem Beschluss des 7. Senats des BSG v. 29.12.2005, B 7a AL 102/05 B, ausdrücklich auch noch nach Inkrafttreten des 6. SGGÄndG am 2.1.2002. Anders sehe es dagegen bei kostenpflichtigen Verfahren nach § 197a aus, weil sich eine einseitige Erledigungserklärung in diesen Verfahren gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 HS 3 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO anders auswirken könne als eine Rücknahmeerklärung (so auch LSG Berlin, Beschluss v. 28.4.2004, L 6 B 44/03 AL ER, SGb 2005 S. 55; anders dagegen noch der 6. Senat des BSG im Urteil v. 20.11.1995, 6 RKa 18/95, USK 95155, und LSG Sachsen, Urteil v. 6.5.2004, L 3 AL 301/03). Zeihe fordert die Umdeutung jeder Erledigungserklärung – auch der beidseitigen –, andernfalls müsse eine eindeutige prozessbeendende Erklärung abgegeben werden (§ 101 Rn. 7e). Im Falle einer ausdrücklichen Erledigterklärung des Klägers dürfte sich im Regelfall kein Zweifel an der Auslegung als Rücknahmeerklärung ergeben. Der anders lautenden Entscheidung des LSG BW v. 28.2.2000, L 4 KR 2771/99, E-LSG KR-168, kann insoweit nicht zugestimmt werden. Danach müssten Anhaltspunkte dafür ersichtlich sein, dass entgegen der ausdrücklichen Erledigterklärung eine Klagerücknahme gewollt sei. Kein Raum sei für eine Auslegung als Rücknahme, wenn gleichzeitig ein Kostenantrag gestellt werde. Gerade die Stellung eines Kostenantrags spricht aber – bei kostenprivilegierten Verfahren – für eine Auslegung als Rücknahmeerklärung, denn ein zulässiger Kostenantrag kann nach § 193 Abs. 1 Satz 3 erst bei Beendigung des Verfahrens gestellt werden. Es liegt daher nahe, dass der Antragsteller selbst von einer Beendigung des Verfahrens und damit von einer Rücknahme ausgegangen ist. Wenn er die Erklärung frühzeitig abgibt, ohne etwa zuvor notwendige Erkundigungen einzuholen, so ist dies allein auf sein Verschulden zurückzuführen und kann sich nicht auf die Auslegung seiner Erklärung auswirken. Dasselbe gilt für eine etwaige Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Vorsitzenden (vgl. BSG, NZS 2001 S. 559 f.). Etwas anderes gilt aber in den gerichtskostenpflichtigen Verfahren nach § 197a. Denn hier führt eine Rücknahme zu einer anderen Kostenfolge, § 197a Abs. 1 Satz 1 HS 3 und Satz 3 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO. Das muss bei der Auslegung der Erklärung beachtet werden; bei gleichzeitigem Kostenantrag beider Beteiligter kann von einer beidseitigen Erledigungserklärung ausgegangen werden, die noch Raum für eine Billigkeitsentscheidung des Gerichts lässt (LSG Berlin, Beschluss v. 28.4.2004, L 6 B 44/03 AL ER, SGb 2005 S. 55).

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