Rz. 3
Nach § 123 darf das Gericht nur über die vom Kläger erhobenen Ansprüche entscheiden. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren wird der erhobene Anspruch als Streitgegenstand nach Inhalt und Umfang allein vom Kläger mit seiner Klage – seinem prozessualen Begehren – bestimmt (vgl. BSG, SozR 3-5555 § 15 EKV-Zahnärzte Nr. 1; BSG, SozR 3-1500 § 96 Nr. 9). Streitgegenstand ist nach der herrschenden prozessualen Theorie (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, SGG, § 95 Rz. 5; Bley, in: GK, § 123 Anm. 2a; jeweils m. w. N.; Kopp/Schenke, § 90 Rz. 7), der auch das BSG in ständiger Rechtsprechung folgt (vgl. z. B. BSG, Urteil v. 28.3.2013, B 4 AS 12/12 R, Rz. 10; BSGE 18, 266; BSGE 21, 13, 15; BSG, SozR 3-5555 § 15 EKV-Zahnärzte Nr. 1; SozR 3-2200 § 1303 Nr. 4; SozR 3-1500 § 96 Nr. 9), der prozessuale Anspruch, nämlich das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren, eine – bestimmte oder bestimmbare – Rechtsfolge auszusprechen. Der Streitgegenstand ist demnach identisch mit dem erhobenen prozessualen Anspruch und wird bestimmt durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund – den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (vgl. auch BVerwGE 96, 24, 25 m. w. N.; BSG, SozR 3-1500 § 96 Nr. 9; BGHZ 117, 1, 5).
Der Kläger bestimmt somit das materiell-rechtliche oder prozessuale Ziel seiner Klage. Bereits seine Klageschrift muss gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 (in der ab 1.4.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes v. 26.3.2008, BGBl. I S. 444; bis dahin hatte es sich um eine Sollvorschrift gehandelt) u. a. den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen und soll gemäß Satz 2 einen bestimmten Antrag enthalten. Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (BT-Drs. 16/7716 S. 22 zu Art. 1 Nr. 15 § 92]) verwendet (möglicherweise unreflektiert) die Begriffe "Gegenstand des Klagebegehrens" und "Streitgegenstand" synonym. Dabei ist in § 92 – wie in seiner Parallelvorschrift § 82 VwGO, an dem sich die Neufassung des § 92 orientiert hat – der Begriff des Streitgegenstands durch den des Gegenstandes des Klagebegehrens ersetzt worden (zu den Gründen vgl. Aulehner, in: Sodan/Ziekow, § 82 Rz. 2, 18). Dadurch ist verdeutlicht, dass – wie bisher (vgl. Rz. 3 der 3. Aufl.) – nicht der Streitgegenstand im technischen Sinne gemeint ist (vgl. zu § 82 VwGO auch Kopp/Schenke, § 82 Rz. 7). Weil weiterhin die Klage auch dann zulässig sein kann, wenn die Klageschrift keinen bestimmten Antrag enthält, und weil das klägerische Begehren, der "erhobene Anspruch", nicht immer mit der für eine gerichtliche Entscheidung erforderlichen Bestimmtheit zum Ausdruck kommen wird, muss das Gericht frühzeitig darauf hinwirken, dass der Kläger den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnet und einen Antrag formuliert.
An die Formulierung des Antrags ist das Gericht bei der gebotenen Klärung des Begehrens allerdings nicht gebunden. Auch dann, wenn ein bestimmter Antrag schriftsätzlich angekündigt ist, bedarf es gerichtlicher Prüfung, ob sich der Antrag mit dem gemäß § 123 maßgebenden Anspruch deckt, denn nur dann kann er entscheidend sein (vgl. BSG, Urteil v. 11.11.1987, 9a RV 22/85). Maßgebend ist das, was vom Kläger gewollt ist. Ist dies nach dem bisherigen Akteninhalt unklar (wegen der Auslegungsgrundsätze vgl. unter Rz. 6 ff.), wie es gelegentlich vor allem bei nicht rechtskundig vertretenen Klägern der Fall ist, oder ist der angekündigte oder gestellte Antrag unzutreffend, hat das Gericht zu klären, worauf sich das Begehren richtet und auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Sachdienlich ist ein Antrag, wenn er zumindest seiner Art nach geeignet ist, der Partei zum Rechtsschutzziel zu verhelfen oder sie diesem näher zu bringen (vgl. BVerwG, Beschluss v. 14.4.2003, 3 B 141/02). Umfasst der bisherige Antrag eines Klägers nicht den gesamten Umfang seines eigentlichen Klagebegehrens, so ist mit einer nach § 106 angeregten Klarstellung dieses Antrags keine Klageänderung verbunden (BSGE 68, 190). Die Verpflichtung des Gerichts zu klären, worauf sich das Begehren richtet, und auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken, ergab sich bislang bereits aus § 106, § 112 Abs. 2 Satz 2. Nunmehr enthält § 92 dazu eine ausdrückliche und sanktionsbewehrte Regelung nach dem Vorbild des § 82 VwGO.
Hiernach hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist, die mit ausschließlicher Wirkung bestimmt werden kann, aufzufordern. Von der Bedeutung der nach § 92 geforderten Verdeutlichung des Gegenstandes des Klagebegehrens für die Zulässigkeit der Klage abgesehen, kann in jedem Stadium des Verfahrens Veranlassung für das Gericht bestehen, eine Erklärung des Klägers zum Klagebegehren herbeizuführen, wenn etwa nach Beweisaufnahme eine Beschränk...