Rz. 4
Urteile lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien in eine Reihe von Arten unterteilen. Üblich ist etwa die Unterscheidung nach ihrem Inhalt, ihrer Wirkung, nach der Prozesssituation, in der sie ergehen, nach ihrer Grundlage sowie danach, ob sie den gesamten Streitgegenstand erfassen und ob sie die Instanz beenden.
2.2.1 Sachurteil/Prozessurteil
Rz. 5
Während das Sachurteil eine Entscheidung in der Sache selbst trifft, sich also mit dem materiellen Anspruch befasst, spricht man vom Prozessurteil, wenn die Klage als unzulässig abgewiesen oder das Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird. Am Charakter eines Prozessurteils ändert sich auch durch Hilfserwägungen des Gerichts zur Begründetheit nichts (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 107 Rz. 18). Der Unterschied zwischen diesen Urteilsarten zeigt sich vor allem in der Rechtskraft. Bei einem Prozessurteil erwächst nur die Entscheidung, dass dem prozessualen Anspruch das für die Klageabweisung maßgebende Hindernis (z. B. Versäumung der Klagefrist) entgegensteht, in Rechtskraft (vgl. Kopp/Schenke, § 121 Rz. 19; insoweit materielle Rechtskraft, vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 107 Rz. 18; a. A. – nur formelle Rechtskraft – Redeker/von Oertzen, VwGO, § 107 Rz. 4; vgl. ferner die Komm. zu § 141 Rz. 12).
2.2.2 Gestaltungsurteil/Leistungsurteil/Feststellungsurteil/Bescheidungsurteil
Rz. 6
Stellt man auf den Inhalt des Urteils ab, lassen sich, entsprechend der jeweiligen Klageart, Gestaltungsurteil (auf Anfechtungsklage), Leistungsurteil (auf Verpflichtungs- oder Leistungsklage) und Feststellungsurteil unterscheiden (vgl. etwa bei Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 125 Rz. 3; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 107 Rz. 8; vgl. auch bei Zeihe, SGG, § 125 Rz. 4b). Bescheidungsurteil ist das Urteil über eine auf Bescheidung gerichtete Verpflichtungsklage.
Auch die Widerklage (§ 100) ist eine echte Klage mit einem selbständigen prozessualen Anspruch, für die § 125 gilt.
2.2.3 Endurteil/Zwischenurteil
Rz. 7
Im Normalfall ist das Urteil Endurteil. Es beendet den Rechtsstreit über den erhobenen Anspruch für diese Instanz. Es kann auch als Teilurteil (vgl. Rz. 8) ergehen. Endurteil und Sachurteil ist auch das Urteil nach § 131 Abs. 5 (vgl. auch die Komm. zu § 131 Rz. 12; zu § 113 Abs. 3 VwGO vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 107 Rz. 20; Kraft, in: Eyermann, VwGO, § 107 Rz. 12). Das Zwischenurteil ist erstmals seit dem 2.1.2002 in § 130 Abs. 2 gesetzlich geregelt, aber bereits vorher als im sozialgerichtlichen Verfahren zulässig angesehen worden (§ 202 SGG i. V. m. § 303 ZPO; vgl. auch §§ 109, 111 VwGO). Das Gericht hat im Interesse der Verfahrensbeschleunigung die Möglichkeit, durch Zwischenurteil über einzelne entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfragen zu entscheiden (vgl. Komm. in Rz. 14 f. zu § 130). Das Zwischenurteil stellt einen vorweggenommenen unselbständigen Teil des Endurteils dar. Ein Zwischenurteil eigener Art ist das unter auflösender Bedingung ergehende Vorbehaltsurteil (§ 202 SGG i. V. m. § 302 ZPO). Kein Zwischenurteil, sondern Endurteil ist das auf eine Zwischenfeststellungsklage ergehende Urteil (§ 202 SGG i. V. m. § 256 Abs. 2 ZPO).
2.2.4 Vollurteil/Teilurteil/Schlussurteil
Rz. 8
Das Vollurteil ist ein Endurteil, das umfassend und für die Instanz endgültig über den erhobenen Anspruch entscheidet. Ein Teilurteil (vgl. auch § 110 VwGO) kann nach Ermessen des Gerichts über einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstands ergehen, auf den der Ausgang des weiteren Prozesses keinen Einfluss mehr nehmen kann (BSGE 27, 142; BSG, Urteil v. 30.9.2010, B 10 EG 9/09 R – Erziehungsgeld für einen bestimmten Zeitraum). Voraussetzung für ein Teilurteil ist, dass der Klagegegenstand in mehrere, prozessual selbständige Ansprüche geteilt werden kann, sodass eine eindeutige, zweifelsfreie Abgrenzung des durch Teilurteil vorab entschiedenen Streitstoffs von dem übrigen, noch bei dem zur Entscheidung berufenen Gericht anhängig gebliebenen Streitstoff möglich ist (vgl. BSG, USK 99114). Ein Teilurteil ist z. B. möglich, wenn die Behörde hinsichtlich des vorläufig unentschieden gebliebenen Teils einen separaten Bescheid hätte erteilen können (vgl. zu einer Sperrzeit: LSG Hessen, Urteil v. 9.3.2005, L 6 AL 1246/03). Kein Teilurteil liegt vor, wenn das Gericht versehentlich nur über einen Teil des Streitgegenstands entscheidet. Es handelt sich auch in diesem Fall um ein Vollurteil (wegen der Möglichkeit der Urteilsergänzung und der Rechtskraft vgl. §§ 140, 141). Das Teilurteil ist Endurteil und selbständig anfechtbar. Über den durch das Teilurteil nicht erledigten Teil wird durch Schlussurteil entschieden.
2.2.5 Grundurteil
Rz. 9
Im sozialgerichtlichen Verfahren wird sehr häufig durch Grundurteil gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 entschieden. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilen, wenn gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Wenn etwa mit der Klage eine Rente wegen Erwerbsminderung begehrt wird, braucht das Gericht nicht über die Höhe dieser Rente entscheiden, es sei denn, dass auch die Leistungshöhe zum Streitgegenstand gemacht worden wäre (zu...