1 Allgemeines
Rz. 1
Die seit Inkrafttreten des SGG unveränderte Vorschrift stimmt wörtlich überein mit § 107 VwGO. Sie bestimmt lediglich die Form der Entscheidung. Eine Verpflichtung des Gerichts, alsbald nach Erlangung von Entscheidungsreife zu entscheiden (vgl. die von § 125 abweichende Formulierung in § 300 ZPO), ergibt sich aus § 125 nicht (vgl. Giesbert, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 125 Rz. 3), sondern folgt unter Umständen aus dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 107 Rz. 1). Aus Art 2 Abs. 1 GG i.V.m mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergibt sich u. a. die Verpflichtung der Fachgerichte, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, wobei die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens stets nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu bestimmen ist (vgl. BVerfG Beschluss v. 22.8.2013, 1 BvR 1067/12, Rz. 30 m.w.N.). Wegen eines Entschädigungsanspruchs wegen überlanger Verfahrensdauer vgl. § 198 GVG.
2 Rechtspraxis
2.1 Entscheidung über die Klage
Rz. 2
Wenn sich das Klageverfahren nicht auf andere Weise erledigt hat, also durch Klagerücknahme (§ 102), Rechtsmittelrücknahme (§§ 156, 165), angenommenes Anerkenntnis (§ 101 Abs. 2), Vergleich (§ 101 Abs. 1) oder übereinstimmende Erledigungserklärung, muss das Gericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, über die Klage durch Urteil entscheiden. Auf eine Entscheidung durch Urteil besteht ein Anspruch des Klägers (vgl. auch Art. 6 Abs. 1 Satz 2 EMRK), soweit keine gesetzlich geregelten Ausnahmen bestehen. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind bestimmt in § 105 (Gerichtsbescheid), § 153 Abs. 4 (Beschluss über Zurückweisung einer unbegründeten Berufung), § 158 (Beschluss über Verwerfung einer Berufung) und § 169 Satz 3 (Beschluss über Verwerfung einer Revision). Durch Beschluss wird das Verfahren auch abgeschlossen in den Fällen des § 145 Abs. 4, des § 160a Abs. 4 Satz 4 (Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde) und – seit 2.1.2002 – des § 160a Abs. 5 (Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung unter den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3). Nicht möglich ist es, Klageverfahren durch Beschluss der Berufsrichter als "letztlich unbeachtliches Begehren auf sonstige Weise" auszutragen, wenn das Gericht bei querulatorischen Zügen des (Massen-)Klägers das Rechtsschutzinteresse für die Entschädigungsklagen verneint (vgl. BSG, Beschluss v. 12.2.2015, B 10 ÜG 8/14 B). In Einzelfällen hat das BSG jedoch bei querulatorischen Klägern darauf hingewiesen, dass vergleichbare – unzulässige – Eingaben künftig nur noch geprüft, aber nicht mehr beschieden würden. Mache ein Beteiligter wiederholt mit im Kern gleichen Begründungen Eingaben, bedürfe es keiner weiteren Bescheidung (vgl. BSG, Beschluss v. 7.12.2023, B 5 R 82/23 AR, Rz. 8 m. w. N. zur Anhörungsrüge/Gegenvorstellung).
Rz. 2a
Urteile, die aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen (§ 124 Abs. 1) werden mit der Verkündung (§ 132) wirksam. Dagegen werden Urteile, die ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 124 Abs. 2, § 126), grundsätzlich mit der Zustellung wirksam (§ 133). Zur Bindungswirkung für das Gericht vgl. Komm. zu § 124 Rz. 17.
Rz. 3
In anderen als Klageverfahren, also im Antrags- und Beschwerdeverfahren (etwa über Prozesskostenhilfe oder einstweiligen Rechtsschutz), ist durch Beschluss (§ 142) zu entscheiden, unabhängig davon, ob der Entscheidung eine mündliche Verhandlung vorausgegangen ist und ob ehrenamtliche Richter beteiligt sind. Wegen der Frage des Rechtsmittels auf eine inkorrekte Entscheidung (z. B. durch Urteil anstatt durch Beschluss) und wegen der dafür gebotenen Entscheidungsform vgl. Vorbemerkung §§ 143 ff. Rz. 12 ff.).
2.2 Arten der Urteile
Rz. 4
Urteile lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien in eine Reihe von Arten unterteilen. Üblich ist etwa die Unterscheidung nach ihrem Inhalt, ihrer Wirkung, nach der Prozesssituation, in der sie ergehen, nach ihrer Grundlage sowie danach, ob sie den gesamten Streitgegenstand erfassen und ob sie die Instanz beenden.
2.2.1 Sachurteil/Prozessurteil
Rz. 5
Während das Sachurteil eine Entscheidung in der Sache selbst trifft, sich also mit dem materiellen Anspruch befasst, spricht man vom Prozessurteil, wenn die Klage als unzulässig abgewiesen oder das Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird. Am Charakter eines Prozessurteils ändert sich auch durch Hilfserwägungen des Gerichts zur Begründetheit nichts (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 107 Rz. 18). Der Unterschied zwischen diesen Urteilsarten zeigt sich vor allem in der Rechtskraft. Bei einem Prozessurteil erwächst nur die Entscheidung, dass dem prozessualen Anspruch das für die Klageabweisung maßgebende Hindernis (z. B. Versäumung der Klagefrist) entgegensteht, in Rechtskraft (vgl. Kopp/Schenke, § 121 Rz. 19; insoweit materielle Rechtskraft, vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 107 Rz. 18; a. A. – nur formelle Rechtskraft – Redeker/von Oertzen, VwGO, § 107 Rz. 4; vgl. ferner die Komm. zu § 141 Rz. 12).
2.2.2 Gestaltungsurteil/Leistungsurteil/Feststellungsurteil/Bescheidungsurteil
Rz. 6
Stellt man auf den Inhalt des Urteils ab, lassen sich, entsprechend der jeweiligen Klageart, Gestaltungsurteil (auf Anfechtungsklage...