Rz. 2
Das Gericht muss sich auf dem Wege zur Entscheidung zunächst Klarheit darüber verschaffen, was das Begehren des Klägers ist und was er zu dessen Begründung vorbringt. Hiervon, von dem Verteidigungsvorbringen der Beklagten und den tatbestandlichen Voraussetzungen der als streitentscheidend erkannten Normen hängt ab, welche Tatsachen für die Entscheidung in prozessualer und materieller Hinsicht wesentlich, also entscheidungserheblich sind. Als wesentlich lässt sich eine Tatsache bezeichnen, wenn sich aus ihr ein Tatbestandsmerkmal der anzuwendenden Norm ergibt oder mittelbar auf Vorliegen oder Nichtvorliegen einer unmittelbar erheblichen Tatsache geschlossen werden kann (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, § 103 Rz. 4a; vgl. auch BSGE 77, 140). Diese entscheidungserheblichen Tatsachen erforscht das Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren von Amts wegen (§§ 103, 106) und umfassend. Daneben ist auch § 109 zu beachten, wonach ein von dem Kläger bestimmter Arzt gutachtlich zu hören ist.
Das Gericht muss diejenigen Ermittlungen durchführen, zu denen es sich nach der Sach- und Rechtslage gedrängt fühlen muss (BSG, Beschluss v. 20.9.2007, B 5a/5 R 262/07 B, Rz. 4). Es hat dabei von sämtlichen Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen (BSG, Beschluss v. 15.8.2012, B 6 KA 3/12 B, Rz. 11; vgl. auch die Komm. zu § 103 Rz. 6). Es entscheidet schließlich nach seiner freien Überzeugung, die es gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewinnt, wie es sich aufgrund der mündlichen Verhandlung bzw. – wenn ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (§ 124 Abs. 2, § 126) – nach dem gesamten Akteninhalt darstellt. Bei der Entscheidung zu berücksichtigen ist deshalb nicht nur das Ergebnis einer förmlichen Beweisaufnahme (z. B. durch Zeugenvernehmung oder Sachverständigengutachten), sondern auch der schriftliche und mündliche Vortrag der Beteiligten zu Tatsachen wie Rechtsfragen, der Inhalt eingeholter Auskünfte und beigezogener Akten und Urkunden, der Sachbericht des Vorsitzenden oder Berichterstatters (§ 112 Abs. 1), der Eindruck, den Beteiligte und Zeugen in der Verhandlung hinterlassen haben, sonstige Wahrnehmungen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung usw. Auf offenkundige Tatsachen, die allen Beteiligten gegenwärtig sind und von denen alle Beteiligten wissen, dass sie für die Entscheidung erheblich sind, kann das Gericht seine Entscheidung auch ohne vorherigen Hinweis stützen (Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 108 Rz. 18). Auch übereinstimmendes oder unbestrittenes Beteiligtenvorbringen kann ohne weitere Ermittlungen in diese Richtung Entscheidungsgrundlage sein (BSG, Urteil v. 3.6.2004, B 11 AL 71/03 R, Rz. 23).
Gerichtskundige Tatsachen können dagegen nur verwertet werden, wenn die Beteiligten auf die Gerichtsbekanntheit der Tatsache hingewiesen worden sind und ihnen Gelegenheit gegeben wurde, sich dazu zu äußern (vgl. BSG, KOV 1974, 111; BSG, SozR 1500 § 128 Nr. 4, 6). Gesamtergebnis des Verfahren ist mithin alles, aber auch nur das, was Gegenstand der mündlichen Verhandlung (§ 124 Abs. 1) bzw., wenn auf diese nach § 124 Abs. 2 oder § 126 verzichtet worden ist, des entsprechenden schriftlichen Verfahrens gewesen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 108 Rz. 2).