Rz. 20
Ist der Kläger anwaltlich vertreten, ist sein bloßes Anwesenheitsinteresse nicht durch den Gehörsanspruch geschützt (vgl. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 108 Rz. 16). Die Erkrankung eines vertretenen Klägers, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet ist, stellt nur dann einen erheblichen Grund für eine Terminsänderung dar, wenn in dem Terminsänderungsantrag substantiiert Gründe vorgetragen werden, die eine persönliche Anwesenheit des Klägers neben seinem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung erfordern (vgl. BFH, Beschluss v. 27.1.2004, VII B 66/03; BFH, Beschluss v. 7.12.1990, III B 102/90, BFHE 163, 115).
Ein Bürger muss seinen Urlaub nicht unter dem Vorbehalt einer etwaigen Terminsbestimmung in seiner Sache planen und antreten und ggf. auf ihn verzichten oder ihn unterbrechen, sondern kann damit rechnen, dass das Gericht seinem berechtigten Begehren durch Aufhebung oder Verlegung des Termins entspricht; etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der betroffene Verfahrensbeteiligte den Prozess verschleppen will. Für eine solche Annahme reichen aber bloße Zweifel des Gerichts nicht aus (BVerwG, NVwZ 1995, 373; zur Frage eines Missbrauchs siehe auch BSG, Beschluss v. 26.6.2007, B 2 U 55/07 B). Das Gericht verletzt regelmäßig den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es einen Vertagungsantrag ablehnt, obwohl der nicht anwaltlich vertretene Kläger nachweislich eines ärztlichen Attests am Verhandlungstag verhandlungsunfähig ist (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom v. 13.4.1999, 1 C 24.97; BVerwG, SGb 2000, 129; nach BVerwG, Beschluss v. 22.5.2006, 10 B 9/06, soll jedoch die Glaubhaftmachung erforderlich sein, dass die Partei verhindert ist, sich im Termin – etwa durch einen Anwalt – vertreten zu lassen; vgl. auch BVerwG, Beschluss v. 31.5.2007, 8 B 25/07; zur Frage der Zumutbarkeit der Bestellung eines neuen Bevollmächtigten vgl. aber BSG, Beschluss v. 26.6.2007, B 2 U 55/07 B). Auch dann, wenn in dem Attest Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird, ist das Gericht, jedenfalls ohne nähere Erkundigungen über Ausmaß und Umstände der Erkrankung des Klägers anzustellen, nicht berechtigt, diese ärztliche Bescheinigung als nicht ausreichend anzusehen. Wenn es aus dem Umstand, dass der behandelnde Arzt bestätigt hat, der Kläger sei "arbeitsunfähig erkrankt", schließen will, der Kläger könne lediglich nicht in seinem Beruf tätig sein, gleichwohl aber zum Gerichtsort reisen und an der mündlichen Verhandlung teilnehmen, muss es dazu den Kläger befragen bzw. eine nähere Stellungnahme des Arztes einholen, dessen Anschrift und Telefonnummer dem Attest zu entnehmen sind (BSG, Urteil v. 28.4.1999, B 6 KA 40/98 R). Macht ein anwaltlich vertretener Beteiligter erst am Vortag eines Termins Verhandlungsunfähigkeit geltend, so muss diese so belegt sein, dass das Gericht bzw. das Entscheidungsgremium ohne Nachforschungen eine eigene Beurteilung vornehmen kann. Aus einer ärztlichen Bescheinigung müssen sich Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung ergeben (BSG, Beschluss v. 13.10.2010, B 6 KA 2/10 B, Rz. 12). Anders lag der Fall, über den das BVerwG mit Beschluss v. 9.12.1994 entschieden hatte (BVerwG, NJW 1995, 799, 800). In dieser Entscheidung hat das BVerwG aus den "konkret gegebenen Umständen" des zu beurteilenden Falls geschlossen, dass eine am Abend vor dem geplanten Termin der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangene ärztliche Stellungnahme hinsichtlich der "Arbeitsunfähigkeit" des dortigen Klägers dem Gericht keinen Anlass zur Vertagung hat geben müssen, weil das Verwaltungsgericht dem gesamten prozessualen Verhalten des Klägers im dortigen Verfahren habe entnehmen dürfen, dass es ihm ohnehin nur um eine Prozessverschleppung gehe. Ergänzend hat das BVerwG darauf hingewiesen, dass sich die Verschleppungsabsicht des dortigen Klägers auch daraus ergebe, dass die in dem Attest aufgeführte Diagnose, die zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben soll, unleserlich war und Anschrift bzw. Telefonnummer des die Bescheinigung ausstellenden Arztes nicht angegeben waren, sodass das Verwaltungsgericht keine Möglichkeit gehabt habe, bei dem Arzt Nachfrage zu halten.