Rz. 16
Die Anfechtungsklage wird wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unzulässig, wenn der angefochtene Verwaltungsakt sich erledigt hat (vgl. BVerwG, NVwZ 1991, 570), also seine Regelungswirkung verloren hat (vgl. BSG, Urteil v. 20.12.2001, B 4 RA 50/01 R; Fechner, NVwZ 2000, 121). Das BSG stellt insoweit neben der Erledigung durch Zeitablauf auf die Wirksamkeit nach § 39 Abs. 2 SGB X ab, wonach ein Verwaltungsakt wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (BSG, Urteil v. 24.3.2015, B 8 SO 22/13 R, Rz. 10).
Der Kläger kann aber seinen Antrag umstellen und die Feststellung begehren, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist bzw. rechtswidrig gewesen ist (so der Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO), wenn er ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Der Übergang von der Anfechtungsklage oder von der Verpflichtungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage stellt eine nach § 99 Abs. 3 Nr. 3 zulässige Antragsänderung ("keine Änderung der Klage") dar, wenn sich dadurch der Klagegrund nicht ändert (vgl. BSG, USK 9541; BSGE 68, 228, 229; BSG, Urteil v. 27.6.2007, B 6 KA 24/06 R, Rz. 11; BSG, Urteil v. 18.5.2011, B 3 KR 7/10 R, Rz. 22 zur Umstellung von einer Anfechtungs- und Leistungsklage sowie von der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage). Er ist auch möglich, wenn sich der Verwaltungsakt erst im Berufungs- oder Revisionsverfahren erledigt hat (vgl. BSG, SGb 1999, 462; BSGE 73, 244; BSG, Urteil v. 16.12.2003, B 1 KR 26/01 R).
Die Voraussetzungen im Einzelnen:
2.3.2.1 Erledigungseintritt
Rz. 17
Der Verwaltungsakt muss sich "durch Zurücknahme oder anders" objektiv erledigt haben (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X), der bloß subjektive Wegfall des Interesses des Klägers an der Beseitigung des Verwaltungsakts reicht nicht. Auch die bloße Behauptung, der Verwaltungsakt habe sich erledigt, genügt für die Statthaftigkeit nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rz. 99; a. A. Burgi, DVBl. 1991, 193, 199). "Durch Zurücknahme oder anders" meint alle Fälle, in denen die beschwerende Wirkung des angefochtenen Verwaltungsakts entfallen ist. Das ist außer bei der in § 131 Abs. 1 Satz 3 genannten Zurücknahme des angefochtenen Verwaltungsakts (bei der Verpflichtungsklage: Stattgabe des ursprünglich abgelehnten Verwaltungsakts) der Fall bei der Erledigung eines Verwaltungsakts durch Zeitablauf (vgl. BSG, Urteil v. 17.5.2023, B 8 SO 12/22 R, Rz. 11 zum Unterlassungsanspruch; BSG, Urteil v. 29.5.1996, 3RK 26/95, Rz. 39; zu Ermächtigungsstreitigkeiten z. B. SozR 3-2500 § 116 Nr. 6, 7, 10, 11, 13, 14). Der durch Zeitablauf erledigte Verwaltungsakt kann nicht mehr aufgehoben werden. Eine gleichwohl weiter betriebene Anfechtungsklage ist abzuweisen (vgl. BSG, Urteil v. 5.6.2003, B 11 AL 58/02 R). Entfaltet der befristete Verwaltungsakt nach Fristablauf keine Rechtswirkungen zwischen den Beteiligten mehr, ist das Rechtsschutzinteresse für die ursprünglich geführte, auf seine Aufhebung gerichtete Anfechtungsklage entfallen (vgl. BSG, Urteil v. 22.6.1994, 6 RKa 21/92, Rz. 19; ähnlich BVerwG, Buchholz 316 § 43 VwVfG Nr. 11; BVerwG, NVwZ 2009, 122). Auch ein ursprünglich auf Genehmigung der Beschäftigung einer Ärztin gerichteter prozessualer Anspruch erledigt sich durch Ablauf der Zeit, für die die Genehmigung beantragt worden war (BSG, SozR 3-5525 § 32b Nr. 1). Bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage kann auch durch eine Rechtsänderung die Erledigung des Verwaltungsakts eintreten (BSGE 73, 25, 27; BSG, Urteil v. 28.1.1998, B 6 KA 44/96 R). Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist eine Erledigung des Verwaltungsakts ferner anzunehmen, wenn der Kläger seinen an die Behörde gerichteten Antrag zurücknimmt (BVerwG, Urteil v. 14.4.1989, 4 C 22/88, Rz. 16: dabei geht das BVerwG nach klägerseitiger Erledigungserklärung davon aus, dass der Beklagte "nach denselben Grundsätzen wie in § 113 Abs. 1 Satz 4" ein schutzwürdiges Interesse an einer klageabweisenden Sachentscheidung benötige; a. A. Burgi, DVBl. 1991, 193, 199; vgl. auch BSG, Urteil v. 9.4.2019, B 1 KR 3/18 R, Rz. 15). Das BSG nimmt bei einem Krankenkassenwechsel nach Klageerhebung an, dass sich die angefochtenen Bescheide auf andere Weise erledigt haben (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG i. V. m. § 39 Abs. 2 SGB X), weil die Beklagte aufgrund der Regelung des § 19 Abs. 1 SGB V ab dem Zeitpunkt des Kassenwechsels rechtlich nicht mehr zur Erbringung der von der Klägerin begehrten Leistung (Hilfsmittelgewährung) verpflichtet sei. Damit sei mit dem Krankenkassenwechsel das für die Fortführung der ursprünglich zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage notwendige Rechtsschutzbedürfnis entfallen (vgl. BSG, Urteil v. 18.5.2011, B 3 KR 7/10 R). Die Meldeaufforderung (§ 309 SGB III), deren Verwaltungsaktcharakter streitig ist (bejahend Winkler, in: Gagel, SGB III, § 309 Rz. 20 m. w. N.; Düe, in: Niesel/Brand, 5. Aufl., § 309 Rz. 144 wenn mit Sanktionsandrohung verbu...