Rz. 18
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag setzt gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 ein berechtigtes Interesse voraus. Das berechtigte Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein (BSG, Urteil v. 25.10.1989, 7 RAr 148/88, Rz. 22). Entscheidend ist, dass die erstrebte gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers zu verbessern (BSG, Urteil v. 10.7.1996, 3 RK 27/95, Rz. 15; BVerwGE 53, 134, 137; BSG, SozR 3-7815 Art. 1 § 3 Nr. 4). Ein Feststellungsinteresse als Sonderform des Rechtsschutzbedürfnisses kommt in Betracht bei (vgl. BSG, Urteil v. 28.8.2007, B 7/7a AL 16/06 R, Rz. 11):
- Präjudiziabilität,
- Schadensersatzinteresse,
- Rehabilitationsinteresse und
- Wiederholungsvorbeugungsinteresse.
Teilweise wird auch eine selbständige Fallgruppe der Beeinträchtigung einer wesentlichen Grundrechtsposition angenommen (vgl. z. B. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 113 Rz. 282 f.; OVG Niedersachsen, Beschluss v. 12.11.2007, 2 LA 423/07). Dabei sind vom Rechtsuchenden die Umstände substantiiert darzulegen, die sein Feststellungsinteresse begründen (BSG, Urteil v. 10.7.1996, 3 RK 27/95; BVerwGE 53, 134; BVerwG, NVwZ 1991, 570; Schnellenbach, NVwZ 1990, 140, 141). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung des Feststellungsinteresses ist der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BSG, Urteil v. 21.9.2005, B 12 KR 26/04 R; BVerwG, Urteil v. 27.3.1998, 4 C 14/96).
Rz. 18a
Präjudiziabilität
Präjudiziabilität liegt vor, wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis bedeutsam sein kann (vgl. BSG, Urteil v. 28.8.2007, B 7/7a AL 16/06 R, Rz. 11). Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Form der Präjudiziabilität hat das BSG bei der Verlängerung einer Arbeitserlaubnis angenommen. Die Arbeitserlaubnis erschöpfe sich in ihrer Rechtswirkung nicht in dem einmaligen Vorgang ihrer Erteilung, sondern erzeuge für den ausländischen Arbeitnehmer darüber hinaus für einen die Grenzen des § 144 Abs. 1 überschreitenden Zeitraum Dauerwirkung. Sie habe für einen längeren Zeitraum Einfluss auf die Rechtmäßigkeit seiner Berufstätigkeit in der Bundesrepublik, ggf. sogar für seine Berechtigung zum Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes (vgl. BSG, Urteil v. 22.9.1976, 7 RAr 107/75, Rz. 23 f.). Das berechtigte Fortsetzungsfeststellungsinteresse wird danach bejaht, wenn aufgrund der Bindungswirkung ein späterer Prozess ganz oder teilweise vermieden werden kann (Schütz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 131 Rz. 45). Eine tatsächliche Präjudizialität kraft "natürlicher Autorität" nimmt das BSG an, wenn nicht zu erwarten ist, dass ein anderer, künftig zuständiger Träger nach Klärung der Fragen, die das Feststellungsinteresse ursprünglich begründet haben, abweichend entscheidet (BSG, Urteil v. 28.1.2021, B 8 SO 9/19 R, Rz. 20).
Rz. 19
Wiederholungsvorbeugungsinteresse
Für die Wiederholungsgefahr bzw. das Wiederholungsvorbeugungsinteresse (Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rz. 93) genügt nicht jede abstrakte, im Übrigen aber ungewisse oder vage Möglichkeit der Wiederholung einer gleichartigen Verwaltungsentscheidung. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr (BSGE 42, 212, 217) bzw. wohl begründete Gefahr (BVerwGE 42, 318, 320) voraus, dass in naher Zukunft oder in absehbarer Zeit (vgl. BSG, Urteil v. 16.12.2003, B 1 KR 26/01 R) unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 162, 181 und NVwZ 1990, 360; BSGE 42, 212, 217; BSGE 74, 257; BSG, SozR 3-1500 § 55 Nr. 12; BSG, Urteil v. 14.2.2013, B 14 AS 195/11 R, Rz. 16) oder trotz veränderter Verhältnisse zumindest eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende Entscheidung zu erwarten ist, weil die Behörde eine entsprechende Absicht zu erkennen gegeben hat (BSG, Urteil v. 10.7.1996, 3 RK 27/95; BVerwG, DVBl. 1994, 168). Es darf nicht völlig ungewiss bleiben, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse vorliegen wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsakts (BSG, Urteil v. 7.9.1988, 10 RAr 8/87; BSG, SozR 3-1500 § 55 Nr. 12; BVerwG, Buchholz 310 § 113 Nr. 162). Das Interesse ist zu bejahen, wenn der im angefochtenen Verwaltungsakt beschiedene Zeitraum zwar abgelaufen ist, die Klärung der im Rechtsstreit zu entscheidenden Rechtsfrage aber für das Verhältnis der Beteiligten (für Folgezeiträume) weiterhin relevant ist (vgl. BSG, Urteil v. 27.6.2007, B 6 KA 24/06 R).
Rz. 20
Schadensersatzinteresse
Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann auch durch eine bereits erhobene oder zumindest ernsthaft beabsichtigte Amtshaftungsklage begründet sein, weil das Zivilgericht an die Entscheidung des Sozialgerichts über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gebunden ist (wegen der Rechtsprechung des BGH zur Amtshaftungsklage gegen bestandskräftig...