Rz. 7
Gemäß Abs. 1 Nr. 5 enthält das Urteil die gedrängte Darstellung des Tatbestands.
Dessen Aufgabe ist nicht die vollständige Wiedergabe des Sachverhalts in historischer Reihenfolge, sondern die logisch geordnete und gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstands, wie er sich im Zeitpunkt der Entscheidung bot und vom Gericht dem Urteil zugrunde gelegt worden ist. Der Tatbestand "trägt" die Entscheidungsgründe und muss all die Feststellungen enthalten, die für die Entscheidungsgründe wesentlich sind. Wertungen des Sachverhalts (z. B. fristgerechte Klageerhebung) oder des Verhaltens der Beteiligten gehören nicht in den Tatbestand, sondern in die Entscheidungsgründe. Rechtsansichten der Beteiligten werden im Tatbestand wiedergegeben, wenn dies zum Verständnis erforderlich ist (z. B. bei unstreitigem Sachverhalt). Das Gericht ist aber auch nicht verpflichtet, alle von den Beteiligten vorgebrachten Rechtsansichten darzulegen (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 313 Rz. 35). Eine äußere Trennung von Tatbestand und Entscheidungsgründen, die der Klarheit dient, ist allerdings nicht zwingend vorgeschrieben (vgl. Zeihe, SGG, § 136 Rz. 1b). Werden Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht getrennt, sondern die Ausführungen z. B. lediglich mit "Gründe" überschrieben oder eine Tatsache in den Gründen erwähnt, muss klar erkennbar sein, was tatsächliche Feststellung und was richterliche Erwägung ist (vgl. BSG, Urteil v. 14.12.1966, 8 RV 101/66). Auch können Tatsachen in den Entscheidungsgründen wiedergegeben werden. Alle tatsächlichen Feststellungen im Urteil, auch die, die in dem mit "Entscheidungsgründe" überschriebenen Abschnitt stehen, gehören zum Tatbestand (funktionaler Tatbestandsbegriff, siehe bei § 139 Rz. 2). Eine in den Gründen enthaltene tatsächliche Feststellung kann stets als Ergänzung des Tatbestands aufgefasst werden. Das Gericht hat danach lediglich die Pflicht, in seiner Entscheidung die Tatsachen kenntlich zu machen, auf welche es seinen Urteilsspruch stützt. Ob dies im Tatbestand oder in den eigentlichen Entscheidungsgründen geschieht, ist bedeutungslos. Insbesondere ist das Gericht nicht etwa gehalten, nur solche Tatsachen in den Entscheidungsgründen zu verwerten, die es zuvor im Tatbestand aufgeführt hat (vgl. BSG, Urteil v. 14.12.1966, 8 RV 101/66). Wird jedoch ein Urteil ohne Tatbestand und Gründe zugestellt, führt dies (außer im Fall des § 136 Abs. 4) im Revisionsverfahren zur Zurückverweisung des Rechtsstreits, da tatsächliche Feststellungen fehlen, anhand derer die behauptete Rechtsverletzung überprüft werden kann (BSG, Beschluss v. 28.1.1999, B 10 LW 20/98 R; BSG, Urteil v. 14.9.1995, 4 RLw 1/95) bzw. weil dem Urteil i. d. R. nicht entnommen werden kann, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (vgl. BGHZ 73, 248, 250 ff.; BGH, Urteil v. 25.4.1991, I ZR 232/89; BGH, Urteil v. 5.5.1998, VI ZR 24/97). Das Gleiche gilt, wenn der Tatbestand fehlt und den Gründen sich der maßgebliche Sach- und Streitstand nicht entnehmen lässt (vgl. BGH, Urteil v. 25.4.1991, I ZR 232/89; BGH, Urteil v. 5.5.1998, VI ZR 24/97). Bei einer Unrichtigkeit des Tatbestands kann eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht kommen (vgl. BVerfGE 58, 163).
Rz. 7a
Aufbau des Tatbestandes
Vorgaben für den Aufbau des Tatbestandes finden sich in § 136 nicht. Gemäß Abs. 2 Satz 2 sind jedoch die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel genügend zu kennzeichnen. In der Praxis bewährt hat sich folgender Aufbau, der keinen Anspruch auf rechtliche Verbindlichkeit erhebt (vgl. auch Schütz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 136 Rz. 31 ff.):
Der Tatbestand beginnt i. d. R. mit einem einleitenden Satz, der den Streitgegenstand kurz umreißt. Hierdurch wird der Leser bereits in die Lage versetzt, die für die Entscheidung wichtigen Tatsachen im Tatbestand zu erkennen. Die Darstellung erfolgt im Präsens (z. B. "Zwischen den Beteiligten ist streitig ...").
Es folgt die Vorstellung der Beteiligten mit dem entscheidungserheblichen Lebenssachverhalt (z. B. "Der am ... geborene Kläger ... war ... beschäftigt als ..."") und die Darstellung des Verwaltungsverfahrens mit den entsprechenden Anträgen im Verwaltungsverfahren, Ermittlungen im Verwaltungsverfahren, Entscheidung (Bescheid) des Beklagten, Widerspruch, Ermittlungen im Widerspruchsverfahren und Widerspruchsbescheid (je nach Klageart). Dabei sind die durch den Beklagten durchgeführten Ermittlungen und die Begründung der getroffenen Entscheidungen zumindest kurz darzustellen. Die Darstellung erfolgt im Präteritum.
Anschließend erfolgt die Darlegung der Klageerhebung in der Zeitform des Perfekts, da es sich insoweit um Prozessgeschichte handelt.
Es folgt das klägerische Vorbringen im Präsens ("Der Kläger trägt vor/behauptet ..." etc.). Dabei sind Rechtsansichten jedenfalls dann mit aufzunehmen, wenn das Vorbringen des Klägers sonst nicht verständlich ist.
Hiernach wird der Sachantrag des Klägers aufgeführt (vgl. Abs. 2 ...