Rz. 15
Mit der Berichtigung, also dem Erlass des Berichtigungsbeschlusses (vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 118 Rz. 7), tritt die berichtigte Fassung des Urteils an die Stelle der bisherigen. Diese Wirkung tritt nach allgemeiner Meinung ex tunc ein, die Berichtigung wirkt also auf den Zeitpunkt des Erlasses des Urteils (§§ 132, 133) zurück (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 138 Rz. 4c; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 319 Rz. 29; Kopp/Schenke, VwGO, § 118 Rz. 9; BVerwG, Beschluss v. 9.11.2009, 7 B 10/09, Rz. 21). Eine neue Rechtsmittelfrist wird i. d. R. nicht in Lauf gesetzt, denn die neue Fassung des Urteils gilt jetzt als die ursprüngliche (vgl. BGH, NJW 1993, 1400; BGH, NJW 2003, 2991), es sei denn, das Urteil ist wegen einer unrichtigen/fehlenden Rechtsmittelbelehrung berichtigt worden (s. o. Rz. 9). Eine neue Rechtsmittelfrist wird auch dann nicht in Lauf gesetzt, wenn aufgrund eines Tenorierungsfehlers bei Betrachtung allein des Tenors der äußere Eindruck entstehen könnte, eine Partei sei durch das Urteil nicht beschwert (BGH, FamRZ 1990, 988). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt in Betracht, wenn das Urteil insgesamt – also einschließlich der Entscheidungsgründe – nicht hinreichend geeignet ist als Grundlage für das weitere Handeln der Parteien und ggf. für eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts (vgl. BGH, FamRZ 1990, 988; BGH, NJW 1995, 1033 m. w. N.). Das kann der Fall sein, wenn erst durch die Berichtigung des Tenors erkennbar wird, wer durch das Urteil beschwert ist (vgl. Zeihe, SGG, § 138 Rn. 7b; BGH, NJW 1995, 1033) oder wenn die Partei erst durch den Berichtigungsbeschluss den richtigen Rechtsmittelgegner erfährt (vgl. BGHZ 113, 228, 231), ferner, wenn sie erst durch die Berichtigung davon Kenntnis erlangt, dass das Rechtsmittel ausdrücklich zugelassen ist (vgl. BGH, Urteil v. 7.11.2003, V ZR 65/03; BGH, Beschluss v. 12.2.2004, V ZR 125/03). Eine solche Ausnahme ist nicht gerechtfertigt, wenn sich aus den Entscheidungsgründen unmissverständlich und auf Anhieb – ohne dass eine längere Prüfung erforderlich ist – ergibt, wie das Gericht entscheiden wollte und dass ihm lediglich beim Tenorieren ein Versehen passiert ist, das mit Sicherheit berichtigt werden würde (BGH, Beschluss v. 28.6.2000, XII ZB 157/99). Insbesondere außerhalb des Anwaltsprozesses wird man aber prüfen müssen, ob durch den Tenorierungsfehler die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt worden ist, und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erwägen, wenn die Diskrepanz zwischen dem Tenor und den Entscheidungsgründen sich nicht aufdrängte und es nicht ohne Weiteres klar war, dass der Fehler bei der Formulierung des Urteilstenors unterlaufen war und deshalb der Tenor berichtigt werden müsse. Wenn das Gericht die Beteiligten während des ersten Monats nach Zustellung einer fehlerhaften Urteilsausfertigung auffordert, die übersandten Ausfertigungen zum Zwecke der Berichtigung zurückzusenden, beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung des berichtigten Urteils zu laufen. In einem solchen Falle können die Beteiligten den Eingang der berichtigten Urteilsausfertigung abwarten und dann innerhalb der Monatsfrist des § 151 prüfen, ob Rechtsmittel eingelegt werden soll (vgl. BSG, Beschluss v. 28.1.2004, B 6 KA 95/03 B; BVerwG, NVwZ 1991, 681). Denn in einer Situation, in der das Gericht selbst die zugestellten Ausfertigungen von den Beteiligten zurück erbittet, ist für diese nicht erkennbar, wie wesentlich die Berichtigungen sein würden, sodass sie keine Veranlassung haben, vor der Zustellung des berichtigten Urteils Rechtsmittel einzulegen (vgl. BVerwG, NVwZ 1991, 681). Die Berichtigung nach § 138 kann auch dazu führen, dass ein vormals (scheinbar) zulässiges Rechtsmittel unzulässig wird (BVerwG, Beschluss v. 9.11.2009, 7 B 10/09, Rz. 21).
Wegen der Bestandswirkung fehlerhafter Berichtigungsbeschlüsse vgl. Rz. 17.