2.3.1 Antrag
Rz. 12
Eine Urteilsergänzung kann nur auf Antrag eines Beteiligten erfolgen, der aber nicht selbst der Betroffene sein muss (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 140 Rz. 3; Schütze, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 140 Rz. 17; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 120 Rz. 4; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 120 Rz. 6; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 321 Rz. 12; Kopp/Schenke, VwGO, § 120 Rz. 7). Soweit das LSG Nordrhein-Westfalen im Urteil v. 18.7.2001 (L 12 AL 142/00) ausführt, § 140 Abs. 1 Satz 2 sei nur zu entnehmen, unter welchen Voraussetzungen das Urteil ergänzt werden muss, sodass das Gericht nicht gehindert sei, die Urteilsergänzung von sich aus zu veranlassen, wird verkannt, dass das Gericht nach § 318 ZPO an seine Entscheidung gebunden ist und dass eine Ausnahme nur unter den in §§ 138 bis 140 SGG genannten Voraussetzungen, im Rahmen des § 140 also nur bei rechtzeitigem Antrag, in Betracht kommt. Vom Antragserfordernis abzusehen läuft dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zuwider (vgl. BVerwG, DVBl. 1999, 1670 m. w. N.; OVG Lüneburg, DVBl. 2001, 1779; LSG Sachsen, Beschluss v. 24.5.2005, L 1 B 47/05 KR; vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 140 Rz. 3; Zeihe, SGG, § 140 Rz. 6; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 120 Rz. 6). Auch die Urteilsergänzung hinsichtlich der Kosten kann nicht von Amts wegen vorgenommen werden (vgl. BVerwG, Beschluss v. 28.6.1993, 7 B 143.92), obwohl im zu ergänzenden Urteil über die Kosten gemäß § 193 ohne Antrag des Beteiligten hätte entschieden werden müssen.
2.3.2 Frist und Form
Rz. 13
Der Antrag muss binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift (§ 90) gestellt werden. Auch eine Übermittlung als elektronisches Dokument gemäß § 65a ist möglich. Eine Belehrung (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 140 Rz. 3) über diese Frist, die als gesetzliche Frist nicht verlängert werden kann, ist nicht erforderlich (vgl. OVG Weimar, Beschluss v. 28.2.2001, 1 VO 931/00). Die mangelnde Kenntnis von der Notwendigkeit eines fristgerechten Antrags ist kein Wiedereinsetzungsgrund (vgl. BVerwG, Beschluss v. 28.6.1993, 7 B 143.92; BVerwG, Beschluss v. 14.9.1998, 8 B 154.98). Ansonsten ist aber Wiedereinsetzung unter den Voraussetzungen des § 67 möglich. Wenn die Urteilsergänzung die vorherige Berichtigung des Tatbestands voraussetzt (s. o.), beginnt nach h. M. die Frist für den Antrag nach § 140 erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses (vgl. BGH, NJW 1982, 1821; Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 140 Rz. 3; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 321 Rz. 13; Kopp/Schenke, VwGO, § 120 Rz. 6; nach Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 120 Rz. 5 wird der Fristablauf unterbrochen; a. A. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 321 Rz. 7: keine Unterbrechung). Der Antrag ist nur zulässig, wenn ein nicht erledigter Teil des Verfahrens so konkret aufgezeigt wird, dass die Möglichkeit der verlangten Ergänzung in Betracht gezogen werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss v. 9.3.2011, 3 C 14/11 u. a.).
Rz. 14
Wird innerhalb der Frist kein Ergänzungsantrag hinsichtlich des übergangenen Anspruchs gestellt, so entfällt insoweit die Rechtshängigkeit (vgl. BSG, SozR 4100 § 36 Nr. 4; BVerwGE 81, 12, 14; BVerwG, NVwZ 1994, 1117; BVerwG, Buchholz 427.3 § 249 LAG Nr. 35; BGH, NJW 1991, 1684). Der übergangene Anspruch kann dann i. d. R. nur in einem neuen Klageverfahren geltend gemacht werden. Ein vom Sozialgericht übergangener Anspruch könnte im Berufungsverfahren nur durch Klageerweiterung oder Klageänderung (§ 99) neu gestellt werden (zum sog. Heraufholen von Prozessresten mit dem Einverständnis aller Beteiligten vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 99 Rz. 12; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 140 Rz. 2a m. w. N.). Diese Möglichkeit wird aber nur für die Leistungsklage uneingeschränkt bestehen, denn im Falle einer Anfechtungsklage dürfte der zugrundeliegende Verwaltungsakt rechtsbeständig geworden sein (str.; vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 16.3.1994, 6 S 1336/92; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 120 Rz. 4 mit Hinweis auf BVerwG, Buchholz 424. Nr. 1; Zeihe, SGb 1999, 290; a. A. möglicherweise "im anhängigen Rechtsstreit nur nach den Grundsätzen über die Klageänderung" Kopp/Schenke, VwGO, § 120 Rz. 6; vgl. für den Fall eines übergangenen Feststellungsanspruchs, § 43 VwGO, auch VGH Mannheim, Urteil v. 18.10.1993, 8 S 1739/93).
Rz. 15
Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn § 96 Abs. 1 nicht beachtet worden ist (vgl. BSG, Breithaupt 1978, 864, 869 f.; BSG, SozR 4100 § 136 Nr. 4; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 140 Rz. 9). Unter dem Hinweis, dass in BSG, SozR 4100 § 136 Nr. 4, und BSG, Breithaupt 1978, 864, 869 die Einbeziehung in ein laufendes Gerichtsverfahren nicht mehr möglich gewesen sei, weil das betreffende Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen gewesen sei bzw. der Einbeziehung das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren entgegengestanden habe, kommt das BSG...