Rz. 13
Auch wenn die tatsächlichen Feststellungen des Urteils nicht selbständig rechtskräftig werden können (vgl. unten Rz. 18), hat die Rechtskraft des Urteils auch zur Folge, dass die im Vorprozess unterlegene Partei sich im neuen Rechtsstreit nicht mehr auf solche Tatsachen berufen kann, die – in den Grenzen des Streitgegenstands (näher dazu unten Rn. 21) – zu dem "abgeurteilten Lebensvorgang" gehören und im maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorgelegen haben (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, vor § 322 Rz. 70; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, SGb 1974, 117). Diese Präklusion als Folge der Rechtskraft tritt unabhängig davon ein, ob der Betroffene Kenntnis von der präkludierten Tatsache hatte; sie ist auch von einem Verschulden der Partei und einer Erkennbarkeit der Tatsache unabhängig (Vollkommer, a. a. O.; Zeihe, SGG, vor § 141 Anm. 1 C.III). Die Rechtskraft schließt, wie sich aus ihrem Sinn (Schaffung von Rechtsfrieden) und einem Rückschluss aus § 767 Abs. 2 ZPO (i. V. m. §§ 198, 202 SGG) ergibt, die Geltendmachung von "Einwendungen" aus, die den festgestellten Leistungsanspruch vernichten oder hemmen (also auch von Einreden), wenn sie sich auf Gründe stützen, die schon bei Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des früheren Verfahrens gegeben waren. Hierzu gehört die Verjährungseinrede (vgl. BSGE 53, 253; vgl. auch BSG, Urteil v. 20.4.1999, B 1 KR 15/98 R, Rz. 18).
Rz. 14
Ein rechtskräftiges Grundurteil (vgl. Komm. in Rz. 4 ff. zu § 130 und oben Rz. 9) stellt nach der Rechtsprechung des BSG nicht nur das Stammrecht fest, sondern schließt auch Einreden aus, zu denen das Gericht in den Urteilsgründen nicht Stellung zu nehmen brauchte (BSG, Urteil v. 20.4.1999, B 1 KR 15/98 R, SozR 3-1500 § 141 Nr. 8; SozR 1500 § 141 Nr. 12; anders Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 130 Rz. 42, wenn Versagungsgründe i. S. d. § 2 Abs. 1 OEG erst nach Verfahrensabschluss bekannt geworden sind (vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 141 Rz. 12a; Hübschmann, in: BeckOGK, SGG, § 141 Rz. 57).
Ein rechtskräftig gewordenes Grundurteil über die Gewährung von Krankengeld schließt deshalb den Einwand des Ruhens wegen fehlender Arbeitsunfähigkeitsmeldung im nachfolgenden Verwaltungsverfahren aus (BSG, SozR 3-1500 § 141 Nr. 8; BSGE 53, 53).
Andererseits schließt ein rechtskräftiges Grundurteil, mit dem z. B. zur Gewährung von Arbeitslosenhilfe verurteilt worden ist, nicht aus, dass im Betragsverfahren die Klage vollständig abgewiesen wird, weil die Leistungen des Sozialhilfeträgers nach § 107 SGB X zum Erlöschen der Arbeitslosenhilfe geführt haben (BSG, SozR 3-1300 § 104 Nr. 3 unter Hinweis auf BGH, VersR 1965, 1173, BGH, BB 1969, 597; BSGE 18, 178, 181; BSG, SozR 1500 § 130 Nr. 2).