Rz. 33
Die subjektive Reichweite der Rechtskraft (Abs. 1) ist durch Art. 1 Nr. 47 des 6. SGGÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2144) mit Wirkung zum 2.1.2002 neu gefasst worden. Wie bisher bindet das rechtskräftige Urteil die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger (jetzt: Nr. 1). Beteiligte sind grundsätzlich Kläger, Beklagte und Beigeladene, wobei das Gesetz nicht unterscheidet, ob es sich um eine einfache oder notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 1 bzw. 2 handelt (vgl. GK-Bley, SGG, § 141 Anm. 5a; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 141 Rz. 18a; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rz. 97; a. A. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 121 Rz. 99 nur "eine Art Präjudizialität").
Die Reichweite der Rechtskraft für den Beigeladenen bestimmt sich nach dessen Beziehung zum Streitgegenstand (Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 121 Rz. 41 unter Hinweis auf BVerwG, NVwZ 1990, 1069; ähnlich Kopp/Schenke, VwGO, § 121 Rz. 25; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rz. 97; vgl. dazu auch BSG, SozR 3-1500 § 54 Nr. 9).
Rz. 34
Nach h. M. wird von § 141 Abs. 1 Nr. 1 jede nach Rechtshängigkeit erfolgte Rechtsnachfolge erfasst (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 141 Rz. 18b; GK-Bley, SGG, § 141 Anm. 5c). Nach Zeihe (SGG, § 141 Rz. 5a) ist dagegen nur die Rechtsnachfolge nach Erlass des Urteils gemeint, weil eine Rechtsnachfolge während des Verfahrens eine unmittelbare Beteiligung am Verfahren erfordere. Die Voraussetzungen für die Rechtsnachfolge richten sich nach materiellem Recht.
Rz. 35
Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. erstreckt, um die Einheitlichkeit der Entscheidung zu wahren, die Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile auf Personen, die im Falle des § 75 Abs. 2a einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgerecht gestellt haben. Diese Erweiterung der subjektiven Rechtskraft lehnt sich an § 121 Nr. 2 VwGO an, der eine entsprechende Bestimmung für die in der VwGO bereits durch das 4. VwGOÄndG (neu) geregelte "Massenbeiladung" (§ 65 Abs. 3 VwGO mit teilweise anderen Voraussetzungen als § 75) trifft. In der verwaltungsrechtlichen Literatur wird diese Regelung trotz rechtsstaatlicher Bedenken noch als verfassungsgemäß angesehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 121 Rz. 34; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 121 Rz. 15a; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rz. 105; Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 121 Rz. 42).
Rz. 35a
Nach dem mit Wirkung vom 1.7.2020 eingeführten Abs. 2b in § 75 sind andere Versicherungsträger in den dort genannten Verfahren nach §§ 7a Abs. 1 Satz 3, 28h Abs. 2 und 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV nur auf Antrag beizuladen, wobei das Gericht die Versicherungsträger von der Erhebung der Klage und von der Möglichkeit einer Beiladung auf Antrag (mit Fristsetzung) informieren muss. Im Ermessen des Gerichts steht weiter die Beiladung von Amts wegen. Die Rechtskraftwirkung wird gemäß Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt auch auf die Versicherungsträger erstreckt, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/17586 S. 160) soll die bewirkte Rechtskrafterstreckung auf sämtliche Versicherungsträger zu einer echten Präklusion nach Fristablauf führen.
Rz. 36
Eine Rechtskrafterstreckung ergibt sich durch die Beteiligung von Insolvenzverwalter oder Testamentsvollstrecker.
Rz. 37
Wegen der Ausdehnung der Rechtskraft eines sozialgerichtlichen Urteils und der Bestandskraft einer bekannt gegebenen Entscheidung der Bundeswehrverwaltung nach § 80 Soldatenversorgungsgesetz vgl. BSG, SozR 3 3200 § 88 Nr. 1 und 2.