Rz. 10

Der Berufungsausschluss gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 nicht für wiederkehrende Leistungen oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Der wiederkehrenden und laufenden Leistung sind die Wiederholung, die Gleichhaltigkeit und der Ursprung in demselben Rechtsverhältnis gemeinsam (BSG, Urteil v. 22.9.1976, 7 RAr 107/75, SozR 1500 § 144 Nr. 5). Leistungen beruhen auf demselben Rechtsverhältnis, wenn ihnen derselbe Leistungsfall zu Grunde liegt (BSG Urteil v. 18.3.1982, 7 RAr 50/80, SozR 4100 § 118 Nr. 10), auf den die Einzelansprüche zurückgeführt werden können. Lediglich ein natürlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang oder dasselbe Sozialrechtsverhältnis reichen hierfür nicht aus (BSG, Beschluss v. 22.7.2010, B 4 AS 77/10 B; Urteil v. 28.11.1990, 4 RLw 5/90, SozR 3-1300 § 32 Nr. 4; BSG, Urteil v. 10.2.1993, 1 RK 17/91 SozR 3-2200 § 182 RVO Nr. 13; BSG, Urteil v. 13.5.1992, 1 RK 19/91 SozR 3-2200 § 182c RVO Nr. 2; Leitherer, SGG, § 144 Rn. 22).

 

Rz. 10a

Ein einheitliches Rechtsverhältnis liegt dann nicht vor, wenn das den Versicherten eingeräumte Rahmenrecht auf Krankenbehandlung durch ärztliche Verordnungen auf bestimmte Behandlungsmaßnahmen zu konkretisieren ist (LSG NRW, Beschluss v. 25.2.2004, L 16 B 72/03 KR). Ist ein Arzneimittel nur einmalig ver­ordnet worden, kann es sich dennoch um wiederkehrende Leistungen handeln, wenn der geltend gemachte Leistungsanspruch nicht in der einmaligen Verordnung erschöpft, sondern sich auf die wiederkehrende Versorgung der Medikation erstreckt (vgl. BSG, Urteil v. 10.2.1993, 1 RK 17/91, SozR 3-2200 § 182 Nr. 13; LSG NRW, Beschluss v. 11.5.2009, L 5 B 107/08 KR NZB; vgl. auch Knittel, in: Hennig, SGG, § 144 Rn. 35).

 

Rz. 10b

Laufende Leistungen sind solche, die regelmäßig oder in kürzeren Abständen anfallen. Hat das SG beispielsweise den Leistungsträger – zukunftsoffen – zu laufenden Leistungen nach AsylbLG verurteilt, so ist die Berufung auch dann zulässig, wenn vom Leistungsträger Leistungen nach § 1 i. V. m. § 3 AsylbLG nur für einen Monat bewilligt wurden und die strittige Differenz zu Leistungen nach § 2 AsylbLG i. V. m. dem SGB XII für diesen Zeitraum die Berufungssumme nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 nicht erreicht (BSG, Urteil v. 8.2.2007, B 9b AY 1/06 R, SozR 4-3520 § 2 Nr. 1). Wird eine Leistungsbewilligung aufgehoben und angefochten, so ist für die Frage der Leistungsdauer das Ende des Bewilligungszeitraumes maßgebend (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 24.1.2006, L 12 AL 77/05). Werden mehrere Beitragsbescheide bezüglich verschiedener Jahre in einem Widerspruchsbescheid abgehandelt, so werden diese Ausgangsbescheide durch den Widerspruchsbescheid zu einem Streitgegenstand der Anfechtungsklage modifiziert, so dass es sich hierbei um wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr i. S. v. § 144 Abs. 1 Satz 2 handelt (LSG Saarland, Urteil v. 22.6.2005, L 2 U 97/01). Die Abgrenzung zwischen wiederkehrenden und laufenden Leistungen bleibt notwendig unscharf, ist im Zusammenhang mit § 144 rechtlich allerdings unerheblich. Wesentlich ist vielmehr die Abgrenzung zu einmaligen Leistungen. Eine solche liegt vor, wenn sich die Leistung ihrer Natur nach in einem bestimmten kurzen Zeitraum abspielt und im Wesentlichen in einer einzigen Gewährung erschöpft (BSG, Urteil v. 25.10.1995, 5 RJ 40/93, NZS 1996 S. 446; Leitherer, SGG, § 144 Rn. 22a). Der Anspruch muss auf eine Leistung gerichtet sein, die mehr als ein Jahr betrifft. Unerheblich ist, ob dieser Zeitraum ganz oder zum Teil vor Berufungseinlegung liegt (Zeihe, SGG, § 144 Rn. 19a). Die Berufung wird nicht dadurch unstatthaft, wenn der Versicherungsträger später den Anspruch teilweise anerkennt (Zeihe, SGG, § 144 Rn. 19f m. w. N.). Bei der Bestimmung des Jahreszeitraumes i. S. d. § 144 Abs. 1 Satz 2 sind nur die Tage bzw. Monate, für die Leistungen begehrt werden, zu berücksichtigen und nicht die Bewilligungszeiträume, in die diese Tage bzw. Monate fallen (LSG NRW, Beschluss v. 17.11.2010, L 19 AS 1275/10).

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