Rz. 17
Die Vorschrift ist wie § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG auszulegen (Leitherer, SGG, § 144 Rn. 28; Kummer, NZS 1993 S. 340; May, SGb 1993 S. 249; Knittel, in: Hennig, SGG, § 144 Rn. 45). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (LSG NRW, Beschluss v. 7.4.2011, L 5 KR 54/11 NZB). Das ist dann der Fall, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist und zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheitlichkeit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 22.10.2007, L 28 B 1050/07 AS NZB; Zeihe, SGG, § 144 Rn. 21b; vgl. auch Stackmann, NJW 2002 S. 781, 782). Grundsätzliche Bedeutung liegt ferner vor, wenn die Klärung einer Zweifelsfrage mit Rücksicht auf Wiederholung ähnlicher Fälle erwünscht ist oder wenn von der derzeitigen Unsicherheit eine nicht unbeträchtliche Personenzahl betroffen ist oder wenn tatsächliche Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit eng berühren (LSG NRW, Beschluss v. 20.11.2006, L 16 B 62/06 KR NZB). Richtet sich die Beurteilung hingegen nur nach den Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles, so fehlt es an der erforderlichen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (LSG NRW, Urteil v. 2.12.2003, L 12 B 61/03 AL NZB). Grundsätzliche Bedeutung kann der Rechtsstreit ferner in wirtschaftlicher Hinsicht haben. Das ist dann der Fall, wenn er für eine unbestimmte Vielzahl von Rechtsgenossen allgemeine Bedeutung hat und damit ungeachtet des geringen individuellen Beschwerdewerts in der Summation doch ein überdurchschnittliches Gewicht erlangt (vgl. Zeihe, SGG, § 144 Rn. 21b; Bernsdoff, in: Hennig, SGG, § 144 Rn. 46).
Keine grundsätzliche Bedeutung besteht, wenn die Entscheidung der eindeutigen Rechtslage entspricht und mit der allgemeinen Auffassung im Schrifttum übereinstimmt (LSG NRW, Urteil v. 7.5.2001, L 10 B 3/01 SB NZB).
Rz. 17a
Abzugrenzen ist zwischen Klärungsbedürftigkeit einer Sachfrage einerseits und einer Rechtsfrage andererseits. Wenn die Beantwortung der für grundsätzlich gehaltenen Frage nicht im Wege der Auslegung von Rechtsnormen erfolgen kann, sondern von tatsächlichen Gegebenheiten abhängt, die nicht durch Rechtsauslegung, sondern durch Sachverhaltsermittlung aufzuklären ist, liegt keine Rechtsfrage, sondern eine Unklarheit über tatsächliche Verhältnisse vor. Aus einer Sachfrage wird keine (grundsätzliche) Rechtsfrage dadurch, dass nach dem Vorbringen eines Beteiligten noch in weiteren Fällen eine ähnliche Sachfrage zu beantworten ist (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 4.12.1997, L 4 BV 22/97).
Rz. 17b
Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein. Sie kann entweder das materielle Recht oder die Sachurteilsvoraussetzung betreffen. Es können auch mehrere entscheidungserhebliche Rechtsfragen materieller und/oder prozessualer Art grundsätzliche Bedeutung haben und zur Zulassung führen (Beispiel bei LSG NRW, Urteil v. 31.1.2001, L 10 VS 28/00, NVwBl. 10/2001 S. 401 zu § 160 Abs. 2). Ob die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, unterliegt einem Beurteilungsspielraum des SG (Zeihe, SGG, § 144 Rn. 21c). Bejaht das SG eine grundsätzliche Bedeutung, ist das LSG hieran gebunden. Verwirft es eine zugelassene Berufung als unzulässig, liegt hierin ein wesentlicher Verfahrensfehler (Zeihe, SGG, § 144 Rn. 21c m. w. N.). Für die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache ist hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts abzustellen (vgl. BSG, Beschluss v.16.5.2007, B 11b AS 61/06 B).
Rz. 17c
Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtssache i. S. d. § 144 Abs. 2 Satz 1 weist "besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art" auf und schließt deshalb eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid aus (LSG Sachsen, Urteil v. 29.3.2007, L 3 AS 101/06, ZFSH/SGB 2007 S. 403).