Rz. 26

Das LSG muss eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich halten. Das Gericht entscheidet hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen (BVerwG, Beschluss v. 12.3.1999, 4 B 112/98, DVBl 1999 S. 987), das im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden kann, ob es von seinem Ermessen erkennbar fehlerhaften Gebrauch gemacht hat (BSG, Beschluss v. 6.4.2011, B 4 AS 188/10 B; Beschluss v. 5.5.2010, B 11 AL 165/09 B). Ist bei Abwägung aller zu berücksichtigenden Umstände die Wahl des vereinfachten Verfahrens ohne mündliche Verhandlung unter keinen Umständen zu rechtfertigen, liegt eine grobe Fehleinschätzung vor (vgl. BSG, Beschluss v. 11.12.2002, B 6 KA 13/02 B). In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich auch zu prüfen, ob das Berufungsgericht die Schwierigkeit des Falles sowie die Bedeutung von Tatsachenfragen berücksichtigt und insoweit den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 EMRK Rechnung trägt (BSG, Beschluss v. 30.7.2009, B 13 R 187/09 B; Beschluss v. 9.9.2003, B 9 VS 2/03 B; BSG, Urteil v. 2.5.2001, B 2 U 29/00 R, SozR 3-1500 § 153 Nr. 13, hierzu krit. Zeihe, SGb 2002 S. 67; BSG, Urteil v. 13.10.1993, 2 BU 79/93, SozR 3-1500 § 153 Nr. 1; BSG, Urteil v. 16.11.1995, 11 BAr 117/95, SozR 3-1500 § 153 SGG Nr. 2; BVerwG, Beschluss v. 12.3.1999, 4 B 112/98, DVBl 1999 S. 987; BVerwG, Beschluss v. 3.9.1992, 11 B 22/92, NVwZ-RR 93 S. 165). Vom vereinfachten Verfahren ist abzusehen, wenn bei einem nicht rechtskundig vertretenen Kläger auf eine angemessene und sachdienliche Antragstellung hingewirkt werden muss (BSG, Beschluss v. 5.5.2010, B 11 AL 165/09).

 

Rz. 27

Ein urteilsersetzender Beschluss kann beispielsweise dann ergehen, wenn der Sachverhalt umfassend ermittelt worden ist, so dass Tatsachenfragen nicht mehr geklärt werden müssen oder etwa im Berufungsverfahren lediglich der erstinstanzliche Vortrag wiederholt wird. Maßgebend sind Schwierigkeiten des Falls und die Bedeutung von Tatsachenfragen (BSG, Urteil v. 2.5.2001, B 2 U 29/00 R, SozR 3-1500 § 153 Nr. 13; BSG, Beschluss v. 13.10.1993, 2 BU 79/93, SozR 3-1500 § 153 Nr. 1; BVerwG, Beschluss v. 3.6.2004, 6 C 28/03, BVerwGE 121 S. 211). Auch der Anspruch der Beteiligten auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) ist zu berücksichtigen. Hiernach muss die Gestaltung des Verfahrens in einem angemessenen Verhältnis zu dem auf Sachverhaltsaufklärung und Verwirklichung des materiellen Rechts gerichteten Verfahrensziels stehen (BVerfGE 88 S. 118, 124, 126 ff.). Einer Darlegung der Erwägungen, die das Berufungsgericht zur Anwendung des vereinfachten Verfahrens veranlassen, bedarf es weder in der Anhörungsmitteilung noch in dem die Berufung zurückweisenden Beschluss (BVerwG, Beschluss v. 13.12.1983, 9 B 1387/82, NVwZ 1984 S. 792).

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