Rz. 45
Die Übertragung erfolgt durch Beschluss des Senats. Die Übertragung ist – anders als die Befugnis des Vorsitzenden oder an dessen Stelle des Berichterstatters zu einer Entscheidung nach § 155 Abs. 3, 4 SGG – nicht von der Zustimmung der Beteiligten abhängig. Die Beteiligten sind anzuhören (§ 62 SGG). Das ergibt sich schon daraus, dass die Übertragung weitreichende Folgen für den gesetzlichen Richter hat. Zudem bestimmt § 155 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4, dass der Berichterstatter im Einverständnis mit den Beteiligten entscheiden kann. Auch hier werden die Beteiligten einbezogen. Allein sie haben das Recht, auf Vorschlag des Senats über den gesetzlichen Richter (Senat oder Berichterstatter) zu disponieren. Hieraus lässt sich herleiten, dass die Beteiligten im Fall einer Übertragung der Sache auf den Einzelrichter zumindest angehört werden müssen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 6 Rn. 19 m. w. N., str.). Dies setzt voraus, dass ihnen der Senat die Übertragungsabsicht mit einer Stellungnahmefrist mitteilt (vgl. Zeihe, SGG, § 153 Rn. 30a). Auf die Anhörung kann verzichtet werden, wenn die Beteiligten sich mit der Übertragung bereits einverstanden erklärt haben. Die Anhörung wäre dann reiner Selbstzweck. Nach Fristablauf kann die Übertragung förmlich beschlossen werden.
Rz. 46
Der Beschluss ist den Beteiligten formlos zuzuleiten (BSG, Beschluss v. 29.11.2010, B 14 AS 31/10 B; Beschluss v. 27.4.2010, B 2 U 344/09 B, SozR 4-1500 § 153 Nr. 8; BVerwG, Beschluss v. 15.10.2001, 8 B 104/01, NVwZ-RR 2002 S. 151; Kopp/Schenke, VwGO, § 6 Rn. 20). Er wird mit der Bekanntgabe wirksam; einer Zustellung bedarf es nicht (Zeihe, SGG, § 153 Rn. 28). Soweit das BSG meint, ein solcher Beschluss sei den Beteiligten wegen § 153 Abs. 1, § 133 SGG zuzustellen (BSG, Beschluss v. 29.11.2010, B 14 AS 31/10 B; Beschluss v. 27.4.2010, B 2 U 344/09 B, SozR 4-1500 § 153 Nr. 8), geht das fehl, denn § 133 SGG bezieht sich nur auf Beschlüsse, die über einen gesonderten Antrag entscheiden, nicht hingegen auf solche, die unselbständiger Teil der Sachentscheidung sind (Keller, SGG, § 133 Rn. 3; Zeihe, SGG, § 133 Rn. 4).
Rz. 47
Der Beschluss muss nicht nur bestimmen, dass die Sache übertragen wird, er muss auch angeben, welches Senatsmitglied zuständig sein soll. Eine namentliche Nennung hat zu unterbleiben, denn die Übertragung ist nicht personenbezogen (Kopp/Schenke, VwGO, § 6 Rn. 20). Der Beschluss kann daher etwa lauten: "Der Rechtsstreit wird dem Berichterstatter des ... Senats übertragen". Der Beschluss bedarf keiner Begründung. Eine Pflicht zur Begründung des Beschlusses besteht auch dann nicht, wenn ein Beteiligter der beabsichtigten Übertragung auf den Einzelrichter widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss v. 15.10.2001, 8 B 104/01, NVwZ-RR 2002 S. 151). Tunlich ist aber ein Hinweis auf die Rechtsgrundlage, damit die Beteiligten die Übertragung nachvollziehen können.
Rz. 48
Die Auswahl des Senatsmitglieds, auf den übertragen werden soll, unterliegt nicht dem Ermessen des Spruchkörpers. Vielmehr verlangt das Gebot des gesetzlichen Richters, dass der als Einzelrichter in Betracht kommende Berichterstatter vor Beginn des Geschäftsjahres durch den senatsinternen Geschäftsverteilungsplan bestimmt ist (§ 21g Abs. 3 GVG), wovon nur unter den Voraussetzungen des § 21g Abs. 2 GVG abgewichen werden kann.
Rz. 49
Es steht grundsätzlich im Ermessen des Senats, ob und wann er von der Möglichkeit des § 153 Abs. 5 Gebrauch macht. Das "Kann" in Abs. 5 ist nicht im Sinne einer Ermächtigung zu verstehen, sondern verlangt vom Senat die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens. Das Ermessen wird ausweislich des Wortlauts "in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1" eröffnet. Die Übertragungsbefugnis knüpft mithin allein daran an, dass das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat. Problematisch ist es, wenn die in § 105 Abs. 1SGG aufgestellten Voraussetzungen vom SG fehlerhaft angenommen worden sind. Auch dann kann der Senat die Berufung ausweislich des Wortlauts auf den Berichterstatter übertragen. § 153 Abs. 5 bezieht sich nur auf § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG und nicht auch darauf, ob die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG vorlagen. Dies kann im Ergebnis dazu führen, dass die Sache dem Berichterstatter übertragen wird, obgleich es sich um keine einfach gelagerte Angelegenheit handelt. Daher wird die Ermessensvorschrift des § 153 Abs. 5 ("kann") dahin ausgelegt werden müssen, dass eine Übertragung nur dann in Betracht kommt, wenn a) das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat und b) die Sache zur Überzeugung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Überträgt der Senat die Sache ungeachtet dessen auf den Berichterstatter und entscheidet dieser mit den ehrenamtlichen Richtern, läge ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter und damit ein absoluter Revisionsgrund vor. Ermessensreduzierungen können auch daraus folgen, dass die Verwaltungsentscheidung in einem mit allen Garantien für eingehende, sorgf...