Rz. 52
Ob, wann und unter welchen Voraussetzungen der Berichterstatter die Sache wieder an den Senat zurück übertragen bzw. dieser gar die Sache wieder an sich ziehen kann, regelt § 153 Abs. 5 nicht. Soweit hieraus hergeleitet wird, eine Rückübertragung im SGG-Verfahren sei unzulässig, da der Grundsatz des gesetzlichen Richters eine eindeutige Regelung verlange (so Keller, SGG, § 153 Rn. 25), greift das zu kurz, denn im Regelfall ist nach § 33 Satz 1 SGG der Senat der berufene gesetzliche Richter (LSG NRW, Beschluss v. 6.5.2010, L 18 [8] R 14/05; so auch Zeihe, SGG, § 153 Rn. 30b). Ausnahmen hiervon bedürfen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Im Übrigen: Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO kann der Einzelrichter nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit unter den dort genannten Voraussetzungen auf die Kammer zurück übertragen. Dies deutet darauf hin, dass eine Rückübertragung in Fällen des § 153 Abs. 5 nicht in Betracht kommt, andernfalls hätte der Gesetzgeber dies in Kenntnis des § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO regeln müssen. Das wiederum ist ein nur schwer nachvollziehbares Ergebnis. So ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die Streitsache nachträglich als von besonderer Schwierigkeit und/oder grundsätzlicher Bedeutung herausstellt. Zugrunde liegen kann dem z. B. eine intensivere Befassung mit der Sach- und Rechtslage, neues Vorbringen, Klageänderung, Rechtsänderungen, Widerklage pp. Soll nunmehr der Berichterstatter als Einzelrichter gezwungen sein, aufwendige Beweiserhebungen durchzuführen, ggf. dem BVerfG nach Art. 100 GG vorzulegen oder aber die Revision zuzulassen? Das erscheint als fragwürdig. In diesem Sinn hat sich auch das BSG geäußert, indem es zu § 155 Abs. 3 und 4 SGG ausführt, dass bei einer Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung eine Entscheidung allein durch den Vorsitzenden oder den bestellten Berichterstatter i. d. R. ermessens- und damit verfahrensfehlerhaft ist (BSG, Urteil v. 8.11.2007, B 9/9a SB 3/06 R, NZS 2008 S. 446; vgl. auch BGH, Beschluss v. 13.3.2003, IX ZB 134/02, BGHZ 154 S. 200). Eine analoge Anwendung des § 6 VwGO scheidet mangels planwidriger Lücke aus. Sonach verbleibt nur der Rückgriff über § 202 SGG auf eine entsprechende Anwendung der ZPO. In diesem Zusammenhang bestimmt § 526 Abs. 2 Satz 1 ZPO, dass der Einzelrichter den Rechtsstreit dem Berufungsgericht zur Entscheidung über eine Übernahme vorlegt, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben oder die Parteien dies übereinstimmend beantragen. Nach Abs. 2 Satz 2 übernimmt das Berufungsgericht den Rechtsstreit, wenn die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 vorliegen. Es entscheidet hierüber nach Anhörung der Parteien durch Beschluss. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Diese Bestimmungen sind im Zusammenhang mit § 153 Abs. 2 entsprechend anwendbar. Dabei entspricht § 526 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Wesentlichen § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Allerdings räumt letztgenannte Vorschrift dem Einzelrichter ein Rückübertragungsermessen ein, während § 348a Abs. 1 ZPO eine Rückvorlagepflicht postuliert. Maßgebend für § 153 Abs. 5 ist indessen die ZPO-Regelung (§ 202 SGG). Der Senat ist an die Rückübertragung gebunden, wenn die Voraussetzungen der Nr. 1 vorliegen. Soweit § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO eine Rückvorlage auch dann bestimmt, wenn die Parteien dies übereinstimmend beantragen, dürfte diese Variante im SGG nicht anwendbar sein. § 202 SGG sieht nur eine entsprechende Anwendung der ZPO vor. Die dem SGG sachnähere VwGO kennt diese Möglichkeit nicht. Zudem bleibt zu berücksichtigen, dass die ZPO das Verhältnis von Kammerentscheidung zu Einzelrichterentscheidung i. S. v. Ausnahme (Kammer) zur Regel (Einzelrichter) versteht (§ 348 ZPO), hingegen § 6 VwGO weiter von einer grundsätzlichen Zuständigkeit des Kollegiums ausgeht und die Übertragung lediglich mit einem "Soll-Befehl" versieht. Im Übrigen ist es nach der Konzeption des SGG ausgeschlossen, den gesetzlichen Richter der Disposition der Beteiligten zu unterwerfen (vgl. BSG, Urteil v. 8.11.2007, B 9/9a SB 3/06 R, BSGE 99 S. 189). Diese Unterschiede rechtfertigen es, § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO in Fällen des § 153 Abs. 5 nicht anzuwenden. Eine Rückübertragung ist überdies dann unumgänglich, wenn der Berichterstatter zu dem Ergebnis kommt, dass die Berufung unstatthaft oder unzulässig ist, da dann nach § 158 verfahren werden muss (zutreffend Zeihe, SGG, § 153 Rn. 30c).
Rz. 53
Fraglich ist, ob der Senat den Übertragungsbeschluss auf Anhörungsrüge (§ 178a SGG) oder Gegenvorstellung wieder aufheben darf. Die Anhörungsrüge führt schon deswegen nicht weiter, weil sie nur gegen Endentscheidungen statthaft ist (§ 178a Satz 2 SGG). Ob und inwieweit eine Gegenvorstellung zur Aufhebung des Übertragungsbeschlusses führen kann (offen gelassen von VG Hannover, Beschluss v. 14.12.2007, 13 A 1597/07), richtet sich danach, ob und inwieweit e...