Rz. 4
Zwingend vor der Sachprüfung muss das LSG klären, ob die Berufung statthaft und im Übrigen zulässig ist. Kommt das LSG zum Ergebnis, dass eine oder mehrere nachfolgender Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ist die Berufung unzulässig (vgl. Rohwer-Kahlmann, SGG, VI/2005, § 158 Rn. 2):
Rz. 5
a) Statthaftigkeit der Berufung. Statthaft ist ein Rechtsmittel dann, wenn es gegen Entscheidungen einer bestimmten Art überhaupt gegeben ist. Beispielsweise bestimmt § 143 SGG, dass die Berufung in der Regel statthaft ist (§ 144 Abs. 1 SGG), wann sie es ausnahmsweise nicht ist, und § 144 Abs. 2 SGG, in welchen Fällen – abweichend von § 144 Abs. 1 SGG – die Regel als Ausnahme von der Ausnahme wiederhergestellt wird. Soweit ein Rechtsmittel zugelassen werden muss, wird es erst mit der Zulassung statthaft (Zeihe, SGG, vor § 143 Rn. 3A). Die Berufung ist nicht statthaft, wenn sie sich gegen einen Gerichtsbescheid richtet, gegen den von einem anderen Beteiligten mündliche Verhandlung beantragt worden ist (§ 105 Abs. 2 Satz 3 SGG), wenn und soweit sie nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG der Zulassung bedarf, aber nicht zugelassen ist und auch nicht mehr zugelassen werden kann, wenn sie nur die Kosten des Verfahrens betrifft (§ 144 Abs. 4 SGG), wenn der Berufungskläger eine frühere Berufung gegen dasselbe Urteil nach § 156 Abs. 1 SGG zurückgenommen hatte oder das LSG über die Berufung bereits entschieden hat (vgl. Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 158 Rn. 5). Zur Unstatthaftigkeit der Berufung wegen Nichterreichung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG aufgrund der für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende geltenden Begrenzung des Streitgegenstandes in zeitlicher Hinsicht auf die Dauer von 6 bzw. maximal 12 Monate gemäß § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 4.12.2007, L 13 AS 3729/07. Zulässig ist das Rechtsmittel, wenn es statthaft ist und die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, d. h. Form und Frist gewahrt sind, der Rechtsmittelführer beschwert ist und auf das Rechtsmittel nicht verzichtet hat, es nicht verwirkt ist und die Prozesshandlungsvoraussetzungen (Beteiligtenfähigkeit, Prozessfähigkeit, Postulationsfähigkeit) gegeben sind (weiterführend die Kommentierung vor § 143 Rz. 3 f.). Hat das SG die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, so ist die Berufung des Klägers deshalb nicht unzulässig, sondern unbegründet (BSG, Beschluss v. 20.7.2011, B 13 R 97/11 B).
Rz. 6
b) Fristgerechte Berufungseinlegung. Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils (§ 151 Abs. 1 SGG) bzw. bei Zustellung außerhalb des Geltungsbereichs des SGG binnen einer Frist von drei Monate eingelegt sein (§§ 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGG), anderenfalls sie verworfen wird (LSG Bayern, Beschluss v. 15.3.2011, L 10 AL 186/10). Die Nichteinhaltung der Berufungsfrist, hinsichtlich derer eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich ist, führt zur Unzulässigkeit der Berufung (LSG NRW, Urteil v. 21.1.2008, L 20 SO 77/07). Wenn das LSG der Auffassung ist, Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist sei nicht zu gewähren, kann es den Beschluss, mit dem die Wiedereinsetzung versagt wird (§ 67 Abs. 4 SGG), mit dem Beschluss über die Verwerfung des Rechtsmittels der Berufung gemäß § 158 verbinden (BSG, Beschluss v. 30.6.2004, B 6 KA 1/04 B).
Rz. 7
c) Formgerechte Berufungseinlegung. Diese muss schriftlich (§ 151 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGG) oder elektronisch (§ 65a SGG) beim LSG oder SG oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des LSG oder des SG eingelegt sein. Eine Berufung, die durch ein nicht mit einer Unterschrift versehenes Fax eingelegt wird, genügt nicht dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs. 1 SGG und ist gemäß § 158 Abs. 1 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen, wenn nicht einer der in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle vorliegt (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 25.8.2011, L 8 AS 119/09). Die Berufung ist wegen Fehlens der Schriftform unzulässig (§§ 158 Satz 1, 151 Abs. 1 SGG), wenn der Kläger innerhalb der aufgrund der richtigen Rechtsmittelbelehrung im Gerichtsbescheid des SG einmonatigen Berufungsfrist sämtliche Äußerungen per E-Mail übersendet (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 4.8.2010, L 2 SO 18/10).
Rz. 8
d) Ergänzend sind zu prüfen:
aa) Beschwer. In welchem Umfang eine Partei beschwert ist, steht mit dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils fest; spätere Änderungen und insbesondere die Berufungsanträge wirken sich nicht auf die Beschwer aus, denn sie ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil und besteht in dem Unterschied zwischen demjenigen, was der Rechtsmittelführer in der ersten Instanz erreichen wollte, und demjenigen, was er erreicht hat. Maßgeblich ist somit nur seine eigene Beschwer, nicht die des Gegners. Die Berufung ist zu verwerfen, wenn keine Beschwer vorliegt (z. B. LSG NRW, Urteil v. 17.6.1998, L 11 KA 125/97). Hat sich die Hauptsache vor Einlegung des Rechtsmittels erledigt, ist e...