Rz. 18
Verfahrensmangel im Sinne dieser Vorschrift ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift oder aber ein Mangel der Entscheidung selbst (LSG NRW, Urteil v. 5.9.2001, L 10 SB 70/01; LSG NRW, Urteil v. 11.7.1995, L 6 Vs 67/95; Zeihe, SGG, § 159 Rn. 8a). Die Beschränkung auf wesentliche Verfahrensmängel bedeutet, dass nicht jeglicher Verfahrensverstoß des SG die Berufungsinstanz eröffnet. Eine Zurückverweisung kommt nur in Betracht, wenn das erstinstanzliche Verfahren an einem so wesentlichen Mangel leidet, dass es keine Grundlage für eine instanzbeendende Entscheidung sein kann. Ob ein derartiger Verfahrensfehler vorliegt, ist allein aufgrund des materiell-rechtlichen Standpunkts des Erstgerichts zu beurteilen, auch wenn dieser verfehlt ist oder das Berufungsgericht ihn für verfehlt erachtet (BGH, Urteil v. 1.2.2010, II ZR 209/08, NJW-RR 2010 S. 1048). Eine Zurückverweisung scheidet aus, wenn der Mangel aus Sicht des LSG nicht rechtserheblich ist oder durch § 202 SGG i. V. m. § 295 ZPO geheilt werden kann.
Rz. 19
Wesentlich ist der Mangel, wenn nicht auszuschließen ist, dass das SG ohne ihn anders entschieden hätte. Hierzu rechnet namentlich eine fehlerhafte Besetzung des SG. Entscheidet das SG z. B. durch Gerichtsbescheid, obwohl die dafür in § 105 Abs. 1 vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht vorliegen, so liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des gerichtlichen Richters i. S. v. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 25.1.2007, L 6 U 110/06, Breithaupt 2007 S. 1004).
Rz. 20
Der Mangel muss nicht gerügt werden; das LSG prüft die Voraussetzungen von Amts wegen (Zeihe, SGG, § 159 Rn. 8c). Die Zurückverweisung unterliegt nicht der Disposition der Beteiligten; denn § 159 rechtfertigt und gebietet ggf. eine Zurückverweisung aus von den Interessen der Beteiligten losgelösten, übergeordneten Gründen.
Rz. 21
Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt vor, wenn
- die angefochtene Entscheidung unzureichend begründet ist (vgl. LSG NRW, Urteil v. 5.9.2001, L 10 SB 70/01; Urteil v. 23.1.2002, L 10 SB 142/01; Urteil v. 20.2.2002, L 10 V 41/01; Urteil v. 20.2.2002, L 10 SB 141/01; Urteil v. 14.5.1998, L 7 SB 146/97);
- das erstinstanzliche Gericht den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es den Kern des Vorbringens verkannt und daher eine entscheidungserhebliche Frage verfehlt oder einen wesentlichen Teil des Klagevortrags übergeht(BGH, Urteil v. 3.11.1992, NJW 1993 S. 538, 539; Zöller/Heßler, ZPO, § 538 Rn. 18, 20);
- das angefochtene Urteil nicht den Anforderungen an Mindestinhalt eines gesetzmäßigen Urteils genügt, indem etwa weder relevanten Anspruchsgrundlagen benannt noch der festgestellte Sachverhalt nachvollziehbar subsumiert wird (zum Mindestinhalt der Urteilsbegründung vgl. auch BSG, Beschluss v. 24.1.1996, 11 BAr 149/95; Beschluss v. 8.2.1996, 13 RJ 65/95, SozR 3-1200 § 14 Nr. 19; Beschluss v. 17.12.1997, 9 BV 122/97; vgl. auch LSG NRW, Urteil v. 23.1.2002, L 10 SB 150/01; Urteil v. 23.1.2002, L 10 SB 142/01, juris; Urteil v. 5.9.2001, L 10 SB 70/01; Urteil v. 20.2.2002, L 10 SB 141/01 Urteil v. 20.2.2002, L 10 V 41/01);
- nicht erkennbar ist, über welchen Sachverhalt das SG entschieden hat;
- das Urteil nicht mit gesetzmäßigen Gründen versehen und das Rechtsmittelgericht nicht zu einer Überprüfung nicht in der Lage ist (BGH, Beschluss v. 20.6.2002, IX ZB 56/01, NJW 2002 S. 2648; vgl. auch LSG NRW, Urteil v. 29.1.2003, L 10 SB 116/02);
- ein Urteil dann nicht mit ausreichenden Entscheidungsgründen gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 6 versehen ist, etwa weil die angeführten Gründe unverständlich oder verworren sind, nur nichtssagende Redensarten enthalten oder zu einer vom Beteiligten aufgeworfenen, eingehend begründeten und für die Entscheidung erheblichen Rechtsfrage nur ausführen, dass diese Auffassung nicht zutreffe (BSG, Beschluss v. 14.2.2006, B 9a SB 22/05 B);
- die angefochtene Entscheidungen den Streitgegenstand nicht erkennen lässt;
- die Amtsermittlungspflicht aus § 103 verletzt wird, indem das SG Ermittlungen unterlässt, zu denen es sich gedrängt fühlen musste (LSG NRW, Urteil v. 25.2.1998, L 10 Vs 107/97 (vgl. auch LSG NRW, Urteil v. 11.2.1998, L 10 Vs 124/97);
- das Gericht den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verletzt, indem es gegen Denkgesetze verstoßen hat (auch ein Verstoß gegen § 109 stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar; vgl. BSG, Urteil v. 10.6.1958, 9 RV 836/55, BSGE 7 S. 218; LSG NRW, Urteil v. 11.12.2002, L 10 SB 79/02; Urteil v. 8.2.2007, L 2 KN 236/06);
- das SG Beweisanträgen der Beteiligten ohne Begründung nicht nachkommt oder es den begründeten Antrag übergeht, einen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zu hören (zu den Voraussetzungen für die Anhörung eines Sachverständigen vgl. BSG, Beschluss v. 27.8.2009, B 13 R 185/09 B; Beschluss v. 12.4.2000, B 9 VS 2/99 R, SozR 3-1750 § 411 Nr. 1; hierzu auch BGH, Urteil v. 27.1.2004, VI ZR 150/02, MDR 2004 S. 699); für die Beurteilung, ob in einer unterlassenen Beweisaufnahme ein Verf...