Rz. 18
Der Ausschluss der Beschwerde gegen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, führt dazu, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten im einstweiligen Rechtsschutz nicht gegenüber denjenigen im Hauptsacheverfahren privilegiert werden. Mittels Nr. 1 HS 2 i. d. F. von Art. 6 des 3. Änderungsgesetz zum SGB IV und andere Gesetze v. 5.8.2010 (BGBl. I S. 1127) soll ferner verhindert werden, dass gegen die Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes weitergehende Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen als in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren selbst. Nach zuvor maßgebender Rechtslage schloss § 172 Abs. 3 Nr. 1 die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes aus, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Ob daneben in diesen Fällen auch die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe ausgeschlossen war, wurde in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt (so BT-Drs. 17/1684 S. 16,17). Zwar ist § 172 Abs. 3 Nr. 1 ohne Übergangsregelung geändert worden. Der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, erfährt aber aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes jedenfalls in Fällen ohne ausdrückliche gegenteilige Regelung eine Ausnahme dahingehend, dass bereits rechtshängige Rechtsmittel statthaft bleiben, auch wenn das Rechtsmittel nachträglich beschränkt wird (vgl. BVerfG, Beschluss v. 7.7.1992, 2 BvR 1631/90, 1728/90, BVerfGE 87 S. 48, 63 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 21.6.2011, L 25 AS 211/10 B PKH).
Rz. 19
Indessen ist mittels dieser gesetzlichen Regelung nicht geklärt worden, ob die Beschwerde gegen einen die Bewilligung von PKH wegen fehlender Erfolgsaussicht in der Hauptsache ablehnenden Beschluss dann zulässig ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht kraft Gesetzes zulässig wäre (hierzu Bienert, SGb 2010 S. 401). So bestehen auch nach der Gesetzesänderung die vormals unterschiedlichen Auffassungen fort (Beschwerde statthaft: LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 10.8.2011, L 5 KR 213/10 B PKH; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 7.4.2011, L 5 AS 34/11 B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 19.1.2011, L 7 AS 4623/10 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 29.10.2010, L 25 B 2246/08 AS; Beschwerde nicht statthaft: LSG Hessen, Beschluss v. 25.3.2011, L 9 AS 108/11 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 22.12.2010, L 34 AS 2182/10 B PKH; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 30.5.2011, L 3 AL 65/11 B PKH; Beschluss v. 9.5.2011, L 11 AS 33/11 B PKH; Beschluss v. 9.5.2011, L 9 SO 29/11 B PKH). Die erstgenannte Auffassung, für die gewichtige Gründe sprechen (hierzu im Einzelnen LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 10.8.2011, L 5 KR 213/10 B PKH), führt allerdings dazu, dass das PKH-Verfahren im Klageverfahren – anders als im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – einen weitergehenden Rechtsschutz genießt als im Hauptsacheverfahren selbst.
Rz. 20
Wird im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Gegenstandwert von über 750,00 Euro nicht erreicht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1), ist die Beschwerde hinsichtlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unzulässig (vgl. Rz. 25). Auf einen Beschwerdewert im (hypothetischen) Hauptsacheverfahren gemessen an einem 6-monatigen Bewilligungszeitraum kommt es nicht an (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 29.11.2011, L 14 AS 278/11 B PKH). Wäre in der Hauptsache die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1), ändert dies nichts an der Sperrwirkung des Abs. 3 Nr. 1. Das Beschwerdegericht ist nicht befugt, für das einstweilige Rechtsschutzverfahren die Beschwerde entsprechend §§ 144 Abs. 2 und 3, 145 zuzulassen oder sie zumindest als statthaft anzusehen, wenn entsprechende Zulassungsgründe in der Hauptsache nach Auffassung des Beschwerdegerichts gegeben wären (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 27.2.2009, L 5 B 2380/08 AS ER; Beschluss v. 16.10.2008, L 20 B 1647/08 AS ER; LSG Hamburg, Beschluss v. 16.1.2009, L 5 B 1136/08 ER AS; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 29.9.2008, L 8 SO 80/08 ER). Der gegenläufigen Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss 24.2.2010, L 7 AS 1446/09 B ER; Beschluss v. v. 21.10.2008, L 6 AS 455/08 ER) ist nicht zu folgen. Für eine solche "Nichtzulassungsbeschwerde" im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes fehlt es an einer Rechtsgrundlage (LSG NRW, Beschluss v. 6.4.2011, L 12 AS 331/11 B ER; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 3.8.2009, L 8 B 157/09; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 172 Rn. 7). Ein eigenständiges Zulassungsverfahren innerhalb des Beschwerdeverfahrens ist nicht vorgesehen und widerspräche auch der Funktion des gerichtlichen Eilverfahrens. Zudem offenbart bereits der Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 1, dass die Beschwerde nur dann zulässig sein sol...