1 Allgemeines

 

Rz. 1

Vergleichbare Regelungen finden sich in § 150 VwGO, § 132 FGO und § 572 Abs. 4 ZPO. Das LSG darf dann entscheiden, wenn das Beschwerdeverfahren infolge Devolutiveffekts angefallen ist. Infolge des 6. SGGÄndG (BGBl. I S. 2144) wurde § 173 dahin geändert, dass die Beschwerde seither fristwahrend auch beim LSG eingelegt werden kann (§ 173 Satz 3). Hierdurch wird das LSG jedoch noch nicht zuständig; die Vorschrift ist insoweit lediglich als lex specialis zu § 91 zu verstehen. Die Zuständigkeit des SG für das nach § 174 grundsätzlich durchzuführende Abhilfeverfahren blieb unberührt. Ungeachtet des § 173 Satz 3 trat der Devolutiveffekt der Beschwerde erst dann ein, wenn das SG die Entscheidung nach § 174 getroffen hatte. Entschied das LSG, obgleich die Sache bei ihm mangels Devolutiveffekts nicht angefallen war, musste es seine Entscheidung auf Gegenvorstellung aufheben (hierzu LSG NRW, Beschluss v. 30.3.2001, L 10 B 1/01 SB). Durch das am 1.4.2008 in Kraft getretene SGGArbGGÄndG v. 26.3.2008 (BGBl. I S. 444 ff.) ist diese Rechtslage nachhaltig verändert worden. Das Abhilfeverfahren (§ 174) ist abgeschafft. Die Beschwerde fällt dem LSG daher mit deren Einlegung an. Für das Beschwerdeverfahren gelten im Übrigen die allgemeinen Vorschriften über das Beschlussverfahren (§ 142), soweit ausdrückliche Regelungen fehlen oder das Wesen des Beschlussverfahrens nicht entgegensteht.

2 Rechtspraxis

2.1 Entscheidung des LSG

 

Rz. 2

Das LSG entscheidet in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unter Einbeziehung neuer Tatsachen und Beweise in vollem Umfang neu. Einschränkungen folgen allenfalls aus § 157a. Eine mündliche Verhandlung ist freigestellt (§ 124 Abs. 3). Die ehrenamtlichen Richter wirken nur bei einer Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung mit. Die nicht statthafte bzw. unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§ 202 SGG i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die zulässige, aber unbegründete Beschwerde ist zurückzuweisen. Sofern die Beschwerde zulässig und begründet ist, kann das LSG in der Sache selbst entscheiden oder zurückverweisen. Die Beschwerdeentscheidung ist zu begründen (§ 142 Abs. 2 Satz 1). Hiervon kann dann abgesehen, wenn das LSG die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 142 Abs. 2 Satz 3).

 

Rz. 3

Eine Wiederholung der Beschwerde ist grundsätzlich nicht möglich. In der Regel kann nicht offen gelassen werden, ob die Beschwerde unzulässig oder unbegründet ist. Da Beschlüsse vielfach in materielle Rechtskraft erwachsen (hierzu LSG NRW, Beschluss v. 3.5.2010, L 11 B 23/09 KA ER, juris; s auch § 172 Rn. 5), muss die Frage geklärt werden; lediglich wenn ein Beschluss der materiellen Rechtskraft nicht fähig ist, kann dies offen bleiben (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl. 2008, § 176 Rn. 3a). Dennoch sollte auch in einem solchen Fall zur Begründetheit der Beschwerde erst dann Stellung genommen werden, wenn sie als zulässig angesehen wird. Zumindest rechtssystematisch ist es widersprüchlich, eine Beschwerde als unbegründet zurückverweisen, wenn sie bereits unzulässig ist.

 

Rz. 4

Auf die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde prüft das Beschwerdegericht deren Begründetheit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Ist die Beschwerde unbegründet, wird sie durch Beschluss zurückgewiesen. Ist sie begründet, hebt das Beschwerdegericht den angefochtenen Beschluss ganz oder teilweise auf. Es gilt das Verbot der reformatio in peius. Das Beschwerdegericht kann unter den Voraussetzungen des § 159 auch an das SG zurückverweisen.

 

Rz. 5

Das LSG entscheidet durch zuzustellenden Beschluss. Dieser ist nach § 142 Abs. 2 Satz 1 zu begründen. In entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 kann das LSG von einer weiteren Darstellung der Gründe absehen, soweit es die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweisen will (Zeihe, SGG, § 176 Rn. 4a). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gilt. Bevor eine nachteilige Entscheidung ergeht, ist der hierdurch beschwerte Beteiligten zu hören (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 17. Aufl. 2011, § 150 Rn. 4).

 

Rz. 6

Das Beschwerdeverfahren kann unterbrochen, ausgesetzt oder zum Ruhen gebracht werden.

 

Rz. 7

Erstinstanzliche Ermessensentscheidungen (z. B. nach § 109) sind im Beschwerdeverfahren nicht nur auf etwaige Ermessensfehler, sondern in vollem Umfang überprüfbar (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 18.4.2005, L 5 B 33/04 SB, juris; LSG Berlin, Beschluss v. 28.9.1965, L 12 An S 129/65, Breith 1966 S. 636; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 16.4.1998, L 3 Sb 84/97, Breith 1998 S. 943; Krasney/Udsching, XII Rn. 82). Soweit die Auffassung vertreten wird, Ermessensentscheidungen des SG könnten im Beschwerdeverfahren nur auf Ermessensfehler überprüft werden (vgl. LSG Bremen, Beschluss v. 15.11.1985, L 5 BR 13/85, Breith 1987, 523; LSG Berlin, Beschluss v. 21.3.1963, L 11 V S 16/65, Breith 1965 S. 438; LSG Niedersachsen, Beschluss v. 9.5.1997, L 1 S (Ran) 30/97, SGb 1997 S. 643; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 10.3.2004, L 9 B 41/03 SB; ...

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