Rz. 16
Ob und inwieweit im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG die Entscheidung des SG mit der Beschwerde (56 RVG) angefochten werden kann, wird unterschiedlich beurteilt. So wird die Auffassung vertreten, dies sei gesetzessystematisch ausgeschlossen, da die abschließenden Regelungen des SGG für eine Anwendung der Beschwerderegelungen des RVG (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 33 Abs. 3 RVG) keinen Raum ließen; ein solcher Rückgriff sei nur in Verfahrensordnungen denkbar, die diese Beschwerdemöglichkeit nicht ihrerseits ausgeschlossen hätten, denn das RVG sei für Fragen der Statthaftigkeit von Rechtsbehelfen im sozialgerichtlichen Verfahren nur das allgemeinere Gesetz und könne daher in seinem verfahrensrechtlichen Teil nicht eine Gebührennachprüfungsinstanz schaffen, die es als solche in der Sozialgerichtsbarkeit nicht gebe (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 8.3.2011, L 10 SF 186/10 BE; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 26.1.2011, L 1 B 266/09 SF E; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 7.4.2008, L 2 B 47/08 SB; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 28.12.2006, L 8 B 4/06 SO SF; Beschluss v. 14.6.2007, L 13 B 4/06 AS SF; Beschluss v. 28.12.2006, L 8 B 4/06 SO SF; Beschluss v. 28.12.2006, L 8 B 4/06 SO SF; LSG Berlin, Beschluss v. 28.2.2005, L 9 B 166/02 KR). Das überzeugt nicht. § 178 Satz 1, der nach seinem Wortlaut auch die Kostenfestsetzungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfassen würde, wird von dem spezielleren § 73a Abs. 1 verdrängt. Hierdurch wird auf die für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten einschlägigen Vorschriften der ZPO verwiesen und bezweckt, das Kostenfestsetzungsverfahren hinsichtlich der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen und Vorschüsse trotz unterschiedlicher Prozessordnungen für Verfahren nach dem SGG und der ZPO einheitlich zu regeln. Erfasst werden nicht nur die ausdrücklich genannten §§ 114 ff. ZPO, sondern auch der daraus abgeleitete Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gemäß §§ 45 ff. RVG. Das Verfahren nach § 55 ff. RVG ist daher grundsätzlich unabhängig vom Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO und nach § 197 SGG (hierzu LSG NRW, Beschluss v. 11.12.2009, L 19 B 281/09 AS; Beschluss v. 29.1.2008, L 1 B 35/07 AS, NZA-RR 2008 S. 606; Beschluss v. 9.8.2007, L 20 B 91/07 AS; LSG Bayern, Beschluss v. 18.1.2010, L 13 SF 288/09 E; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 17.7.2008, L 6 B 93/07). Insoweit enthalten die §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 RVG eigenständige Verfahrensregeln über die möglichen Rechtsbehelfe (LSG Thüringen, Beschluss v. 29.4.2008, L 6 B 32/08 SF, SGb 2008 S. 620; dagegen: LSG NRW, Beschluss v. 2.5.2011, L 10 P 112/10 B; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 27.6.2011, L 3 R 234/10 B).
Der Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRModG) v. 11.11.2011 sieht in Art. 7 Nr. 2 vor, § 1 RVG um einen Abs. 5
"Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde gegen den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor."
zu ergänzen. Ausweislich der Begründung (RefE S. 402) dient dies der Klarstellung. Hierdurch soll die gelegentlich auftretende Frage nach dem Verhältnis der Verfahrensvorschriften des Kostenrechts zu den Verfahrensvorschriften der für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften dahin geklärt werden, dass die kostenrechtlichen Vorschriften die spezielleren Vorschriften sind (RefE S. 218).
Rz. 17
Auch für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 8 JVEG wird teils die Auffassung vertreten, die Beschwerde gegen die Entscheidung des SG sei nicht statthaft (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 21.6.2011, L 14 SF 143/11 BE; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 7.4.2008, L 2 B 47/08 SB), während nach anderer Ansicht die Beschwerde des vom SG bestellten Sachverständigen gegen die durch gerichtlichen Beschluss des SG festgesetzte Vergütung (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 8 und 9 JVEG) gegeben sei (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 3.9.2009, L 6 R 303/09 B, NZS 2010 S. 295; LSG NRW, Beschluss v. 16.2.2010, L 4 B 13/09; Rohwer-Kahlmann, SGG, VIII/2007, § 178 Rn. 10 zu § 4 JVEG). Letztgenannter Auffassung wird zugestimmt. § 178 Satz 1 kommt nicht zum Tragen, weil diese Norm durch die als lex specialis anzusehenden Bestimmungen des JVEG verdrängt wird (vgl. auch Zeihe, SGG, § 178 Rn. 3c). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist das JVEG das für die Regelung der Vergütung der durch ein Gericht herangezogenen Sachverständigen maßgebliche Gesetz und gilt insoweit ohne Einschränkung für alle Gerichtsbarkeiten (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl. 2011, § 4 JVEG Rn. 21). Überdies bestimmt § 1 Abs. 1 Satz 2 JVEG unmissverständlich, dass eine Vergütung oder Entschädigung für die in Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 genannten Personen nur nach diesem Gesetz gewährt wird. Der Charakter als lex specialis wird damit deutlich zum Ausdruck gebracht. Der durch § 4 Abs. 1 bis 9 JVEG bekundete gesetzgeberische Wille bezweckt eine von...