2.4.1 Einführung

 

Rz. 41

Der Spruchkörper muss nach dem jeweiligen Geschäftsverteilungsplan zuständig sein. Hat die Zuständigkeit gewechselt, entscheidet über die Anhörungsrüge der nunmehr zuständige Spruchkörper. Das folgt schon daraus, dass im Fall einer Rügenstattgabe nur der zuständige Spruchkörper Verfahren fortführen kann. Bei der Entscheidung über eine Anhörungsrüge ist der iudex a quo trotz Vorbefassung nicht befangen. Es ist gerade Sinn der Anhörungsrüge, dem iudex a quo die Möglichkeit der Selbstkorrektur einzuräumen (BSG, Beschluss v. 25.2.2010, B 11 AL 22/09 C, juris; BVerwG, Beschluss v. 28.5.2009, 5 PKH 6/09, NVwZ-RR 2009, 662 f.).

2.4.2 Negative Entscheidung

 

Rz. 42

Die nicht statthafte oder im Übrigen unzulässige Rüge ist zu verwerfen (Abs. 4 Satz 1). Ist die Rüge unbegründet, weist sie das Gericht zurück (Abs. 4 Satz 2). Die Entscheidung ergeht jeweils durch einen unanfechtbaren Beschluss, der kurz begründet werden soll (Abs. 4 Satz 4). Dies schließt eine weitere Anhörungsrüge aus (BSG, Beschluss v. 1.8.2007, B 13 R 7/07 C, SozR 4-1500 § 178a Nr. 7).

Die zulässige Anhörungsrüge wird außerhalb der mündlichen Verhandlung nach § 40 Satz 1, § 33 Satz 2, § 12 Abs. 1 Satz 2 ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zurückgewiesen (zutreffend: BSG, Beschluss v. 8.11.2006, B 2 U 5/06 C, juris; Beschluss v. 28.9.2006, B 3 P 1/06, SozR 4-1500 § 178a Nr. 5; Beschluss v. 3.8.2005, B 6 KA 22/05 R, juris; Zeihe, § 178a Rn. 38a f.; Rohwer-Kahlmann, SGG, I/2005, § 178a Rn. 9). Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Anhörungsrüge zu verwerfen ist (BSG, Beschluss v. 16.2.2006, B 9a V 47/05 B, SozR 4-1500 § 178a Nr. 4).

Über die Kosten ist nach § 193 oder § 197a i. V. m. § 154 VwGO zu entscheiden. Wird die Rüge verworfen oder zurückgewiesen, wird unter Geltung des GKG eine Gebühr von 50 EUR fällig (Kostenverzeichnis Nr. 7400).

2.4.3 Fortführungsverfahren

 

Rz. 43

Sofern die Rüge statthaft, zulässig und begründet ist, hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, allerdings nur soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist (Abs. 5 Satz 1). Ein Fortführungsbeschluss ist nicht notwendig (Zeihe, SGG, § 178a Rn. 41a; vgl. aber Rohwer-Kahlmann, SGG, § 178a Rn. 10: Abhilfeentscheidung), allerdings zwecks Klarstellung tunlich (Leitherer, SGG, § 178a Rn. 10). Tenoriert werden könnte z. B.: "Auf die Anhörungsrüge des Y wird das Verfahren S 12 KA 17/11 fortgeführt."

 

Rz. 44

Im Fortführungsverfahren wird nur noch der Streitgegenstand verhandelt, der von der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör betroffen ist. Der Prozess wird in die Lage zurückversetzt, in dem er sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befunden hat. Die Vorschrift ist insoweit § 342 ZPO vergleichbar. Auch im Fall eines erfolgreichen Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil wird der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand. Die hierzu entwickelten Grundsätze können herangezogen werden. Es wird somit in der Verfahrensart, in dem sich der Prozess vor der mit der Rüge angefochtenen Ausgangsentscheidung befunden hat, im Rahmen der ursprünglichen Klageanträge und ohne Bindung an das ursprüngliche Urteil oder den ursprünglichen Beschluss neu verhandelt. Das rechtliche Gehör ist nunmehr zu gewähren. Ob und inwieweit die anderen Beteiligten ihr Vorbringen "nachbessern" können, erscheint zweifelhaft. Da der Prozess nach Abs. 5 Satz 1 nur soweit fortgeführt wird, als die Rüge reicht, kann sich neues (zulässiges) Vorbringen der anderer Beteiligten auch nur hierauf beziehen. Das Verbot der reformatio in peius gilt nicht. Ein Aufhebungsbeschluss wäre fehlerhaft, weil sich erst mit Abschluss des Fortführungsverfahrens ergibt, was aus dem bisherigen Urteil/Beschluss wird. Das Fortführungsverfahren endet, indem das Gericht ausspricht, dass die aufgrund der Rüge angefochtene Entscheidung aufrechterhalten bleibt. Führt die Rüge hingegen dazu, dass sich das ursprüngliche Urteil als fehlerhaft erweist, so wird dieses mittels eines neuen Urteils aufgehoben (§ 178a Abs. 5 Satz 4 SGG i. V. m. § 343 ZPO).

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