1 Allgemeines
Rz. 1
Die Vorschrift regelt die Fälle, in denen der Träger der Gerichtshaltungskosten von der Geltendmachung der Pauschgebühr durch die Niederschlagung oder die Nichteinziehung absehen kann. § 190 gilt nur für die Pauschgebühr; die Vorschrift ist nicht anwendbar auf außergerichtliche Kosten oder Auslagen eines Beteiligten (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 23.6.2022, L 4 AS586/21). Bei einem Verfahren nach § 197a ist § 21 GKG anwendbar.
2 Rechtspraxis
2.1 Niederschlagung
Rz. 2
§ 190 Satz 1 sieht vor, dass eine fällige Pauschgebühr, die durch eine unrichtige Sachbehandlung seitens des Gerichts entstanden ist, niedergeschlagen werden kann. Die Pauschgebühr darf bei richtiger Sachbehandlung durch das Gericht nicht oder nicht in voller Höhe angefallen sein. Die Vorschrift knüpft an eine durch das Gericht veranlasste Unrichtigkeit an. Die Pauschgebühr muss durch einen groben Verfahrensfehler ohne Verschulden des Beteiligten entstanden sein, z. B. wenn
- ein Beteiligter zu Unrecht in den Rechtsstreit einbezogen wird,
- eine Entscheidung durch Urteil unter Nichtbeachtung einer außergerichtlichen Erledigung ergeht (Niederschlagung der halben Gebühr nach § 186).
Durch die Niederschlagung verzichtet der Träger der Gerichtshaltungskosten auf die Gebührenforderung. Die Gebührenforderung erlischt; die Gebührenforderung der übrigen Gebührenpflichtigen nach § 187 erhöht sich nicht.
2.2 Verfahren der Niederschlagung
Rz. 3
Die Entscheidung über die Niederschlagung steht im Ermessen der Leitung des Gerichts – Präsident, Direktor und aufsichtsführende Richter –, bei dem die Pauschgebühr angefallen ist. Bei der Entscheidung handelt es sich um einen Justizverwaltungsakt. Gegen eine ablehnende Entscheidung kann in entsprechender Anwendung des § 30a Abs. 1 Satz 3 EGGVG ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden (a. A. entsprechende Anwendung der §§ 21, 66 GKG). Das Gericht kann den Verwaltungsakt nur dahingehend überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Zuständig ist das Sozialgericht des ersten Rechtszugs. Die Entscheidung des Gerichts ergeht durch Beschluss, der zugestellt (§ 63) werden muss. Eine Pauschgebühr fällt in dem Verfahren nicht an. Rechtsmittel ist die Beschwerde (§ 172).
2.3 Nichteinziehung wegen Geringfügigkeit
Rz. 4
Nach § 190 Satz 2 kann von der Einziehung der Gebührenschuld wegen Geringfügigkeit abgesehen werden. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung der Gerichtsleitung. Die Einziehung von Beträgen, bei denen die Kosten und/oder der Verwaltungsaufwand höher als der Ertrag sind, soll unterbleiben. Die Gebührenforderung bleibt bestehen.