Rz. 87
Bei einer Beendigung des Verfahrens durch eine übereinstimmende Erledigungserklärung hat das Gericht die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu treffen. Dabei ist i. d. R. der vermutliche Verfahrensausgang von Bedeutung, soweit dies im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses überblickt werden kann. Es entspricht dem billigen Ermessen , die Kosten dem Beteiligten aufzuerlegen, der voraussichtlich unterlegen wäre (BVerwG, Beschluss v. 18.1.2019, 2 B 62/18 und Urteil v. 6.4.1989, 1 C 70/86). In der Regel ist maßgeblich, welchen Beteiligten bei summarischer Prüfung die Kosten des Verfahrens auferlegt worden wären, wenn sich die Hauptsache nicht erledigt hätte, d. h. welcher der Beteiligten ohne das zur Erledigung führende Ereignis voraussichtlich obsiegt hätte bzw. unterlegen wäre. Zudem können alle Umstände des Einzelfalls herangezogen werden wie insbesondere der Anlass für die Klageerhebung und auch der Grund der Erledigung, d. h. wer infolge des erledigenden Ereignisses faktischer Sieger ist (BSG, Beschluss v. 27. 1.2021, B 6 A 1/19 R; BVerwG, Beschluss v. 19.1.2021, 6 C 17/19). Dabei ist auf den Zeitpunkt der Erledigung bzw. auf die Sach- und Rechtslage unmittelbar vor dem Eintritt des zur Erledigung führenden Ereignisses abzustellen (BSG, Beschluss v. 29.8.2011, B 6 KA 18/11 R). Es ist nicht erforderlich, den Streitfall hinsichtlich aller für dessen mutmaßlichen Ausgang bedeutsamen Rechtsfragen zu überprüfen und die tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen auszuschöpfen (BVerwG, Beschluss v. 18.1.2019, 2 B 62/18; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 6.4.2005, L 13 AL 220/05 AK-A). Die speziellen Kostenregelungen der §§ 155 Abs. 2 bis 5, 156 VwGO sind bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen. Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit des erledigenden Ereignisses abzustellen (BVerwG, Beschluss v. 30.4.2010, 9 B 42/10; BSG, Beschluss v. 29.8.2011, B 6 KA 18/11), eine weitere Beweiserhebung zur Klärung des Sachverhalts ist grundsätzlich nicht zulässig. Bleibt die Erfolgsaussicht völlig offen, sind die Kosten den Beteiligten zu gleichen Teilen aufzuerlegen (BVerwG, Beschlüsse v. 7.1.1974, 1 WB 30.72 v. 31.5.1979, 1 WB 202.77, und v. 24.6.2008, 3 C 5/07; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 21.6.2006, L 7 KA 1008/05). Neben dem mutmaßlichen Verfahrensausgang können aber auch andere, für eine gerechte Verteilung der Kosten bedeutsamen Umstände Berücksichtigung finden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 6.4.2005, L 13 AL 220/05 AK-A), wie z. B. wer Veranlassung zur Einleitung des Verfahrens gegeben hat (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 27.6.2007, L 12 AL 223/05; siehe zum Veranlassungsgrundsatz die Komm. zu § 193 Rz. 10f.) oder eine Änderung der Sach- und Rechtslage während des Verfahrens (BVerwG, Beschluss v. 30.4.2010, 9 B 42/10). Bei einer außergerichtlichen Einigung über die Kostentragung ist diese Einigung zu berücksichtigen (VGH Bayern, Beschluss v. 31.5.2016, 20 CS 16.865). ).
Die Erledigung des Verfahrens mit der Folge der Kostenentscheidung nach billigem Ermessen kann durch eine einseitige Erledigungserklärung des Klägers herbeigeführt werden, wenn der Beklagte nicht innerhalb von 2 Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenen Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist. Es handelt sich um eine übereinstimmende Erledigungserklärung, wobei die Zustimmung des Beklagten fingiert wird.
Eine einseitige Erledigungserklärung, der der Gegner widerspricht, kann in Verfahren nach § 197a nicht mit einer Klagerücknahme gleichgesetzt werden (BSG, Beschlüsse v. 1.9.2009, B 1 KR 1/09 D, und v. 15.8.2012, B 6 KA 97/11 B; vgl. Rz. 81). Die Kostenentscheidung ergeht nach den allgemeinen Regeln (BSG, Urteil v. 9.4.2019, B 1 KR 3/18 R), wobei die zu § 161 Abs. 2 VwGO entwickelten Grundsätze über die Erledigungsfeststellungsklage (BVerwG, Urteil v. 17.2.1993, 11 C 17/92) entsprechend Anwendung finden.