1 Einleitung
Rz. 1
§ 199 enthält Sondervorschriften hinsichtlich der Durchführung der Zwangsvollstreckung, die sowohl bei einer Vollstreckung nach den Vorschriften der ZPO als auch bei einer Vollstreckung nach § 200 oder § 201 Anwendung finden. Die Sondervorschriften betreffen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung - Vollstreckungstitel, Ausfertigung des Vollstreckungstitels - und die Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens im Rechtsmittelverfahren durch einstweilige Anordnung.
2 Vollstreckungstitel
2.1 § 199 Abs. 1 Nr. 1
Rz. 2
Alle sozialgerichtlichen Entscheidungen, also Endurteile, Gerichtsbescheide und Beschlüsse, stellen grundsätzlich Vollstreckungstitel dar, soweit ein Rechtsmittel nicht eingelegt wurde bzw. diesem keine aufschiebende Wirkung zukommt (siehe hierzu § 198 Rz. 6). Kostengrundentscheidungen bieten als bloße Nebenentscheidungen keine selbständige Vollstreckungsgrundlage. Nur der hierauf ergehende Kostenfestsetzungsbeschluss ist ein vollstreckbarer Titel (§ 199 Abs. 1 Nr. 4).
2.2 § 199 Abs. 1 Nr. 2
Rz. 3
Auch die einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 ist ein Vollstreckungstitel. Dieser Titel ist, soweit er einen Geldleistungsanspruch beinhaltet, entweder unter Berücksichtigung des § 882a ZPO nach den Vorschriften der ZPO zu vollstrecken oder aber, wenn der hier vertretene Ansatz (§ 198 Rn. 16) verfolgt wird, nach § 201. Für die Vollstreckung ist aufgrund der Verweisung des § 86b Abs. 2 Satz 4 auf § 929 Abs. 1 ZPO eine Vollstreckungsklausel nicht erforderlich. Zu beachten ist hierbei die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2, die einen Monat ab Verkündung bzw. ab Zustellung der Anordnung an den Antragsteller beträgt (siehe zuletzt LSG Mainz, Beschluss v. 26.1.2011, L 6 AS 616/10 B ER mit Anm. Wehrhahn in jurisPR-SozR 18/2011 Anm. 6). Die Frist beginnt nicht erst mit dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller erkennen konnte, dass die Behörde nicht leisten wird (BayLSG, Beschluss v. 27.4.2009, L 8 SO 29/09 B ER, juris).
Rz. 4
Die Entscheidung über die Herstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 ist schon begrifflich nicht von § 199 Abs. 1 Nr. 2 erfasst. Sie besitzt unmittelbar gestaltende Wirkung, so dass eine Vollstreckung nicht erforderlich ist. Zwei Besonderheiten sind allerdings zu berücksichtigen: Durch die gerichtlich angeordnete bzw. festgestellte aufschiebende Wirkung wird der Behörde die Vollstreckungsmöglichkeit nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X, § 5 Abs. 1 VwVG, § 257 Abs 1 AO bzw. der entsprechende Vollstreckungsweg nach § 66 Abs. 3 SGB X genommen. Vollstreckt die Behörde dennoch, so ist die Vollstreckungshandlung, wenn es sich um einen Verwaltungsakt handelt, mit Widerspruch und Anfechtungsklage unter Verweis auf die aufschiebende Wirkung anzufechten. Zudem ist es auf Antrag möglich, dass die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung mit einer einstweiligen Folgenbeseitigungsanordnung nach § 86b Abs. 1 Satz 2 verbunden wird. Insoweit handelt es sich dann um einen vollstreckbaren Titel.
2.3 § 199 Abs. 1 Nr. 3
Rz. 5
Auch Anerkenntnisse und gerichtliche Vergleiche stellen Vollstreckungstitel dar.
Das Anerkenntnis ist eine einseitige prozessuale Erklärung, mit der der Beklagte "ohne wenn und aber" einräumt, dass der prozessuale Klaganspruch besteht. Das angenommene Anerkenntnis ist Vollstreckungstitel. Für die Schaffung dieses Titels ist eine Erklärung zu Protokoll des Gerichts in mündlicher Verhandlung nicht erforderlich (BSG, Urteil v. 27.11.2980, 5 RKn 11/80, SozR 1500 § 101 Nr. 6; a. A. Hennig, SGG, § 199 Rn. 8). Allerdings erwägt das BSG (a.a.O), dass zur Herstellung der Vollstreckbarkeit zunächst ein Beschluss entsprechend dem (deklaratorisch möglichen) Beschluss über die Beendigung des Verfahrens durch Klagerücknahme (nunmehr § 102 Abs. 3 Satz 1) ergehen müsste. Hiermit sei der Inhalt des Anerkenntnisses festzustellen. Dies erscheint sinnvoll, um etwaigen Auslegungsstreitigkeiten bei der Frage des Titelinhalts vorzubeugen. Notwendig ist dies aber nicht. Denn für die Titelauslegung kann während des Vollstreckungsverfahrens die Prozessakte herangezogen werden. Vollstreckt man auch Geldleistungsanerkenntnisse nach dem oben dargestellten Konzept über § 201 (siehe § 198 Rz. 16), so ist das Sozialgericht als Gericht des ersten Rechtszuges ohnehin mit dem Streitfall vertraut.
Rz. 6
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Vollstreckbarkeit des Grundurteils (siehe § 201 Rn. 4) ist auch das Grundanerkenntnis einer Behörde ein Vollstreckungstitel, dessen Vollstreckung sich nach § 201 richtet (a. A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 198 Rn. 3a).
Rz. 7
Der Vergleich ist hingegen nur Vollstreckungstitel, wenn er im Erörterungs- bzw. Verhandlungstermin zu Protokoll erklärt wurde. Der - ggf. auf Vorschlag des Gerichts - durch wechselseitige Schriftsätze abgeschlossene außergerichtliche Vergleich ist nicht unmittelbar vollstreckbar. Das darin enthaltene Leistungsversprechen kann zwar durch eine allgemeine Leistungsklage geltend gemacht werden. Als einfacherer Weg der Rechtsverwirklichung dürfte aber in der Regel die nachträgliche Protokollierung des Vergleichs durch einen Beschluss nach ...